Landeshauptstadt: 130 weitere Mobilfunkantennen
Betreiber demonstrierten Einhaltung der Grenzwerte / Jakobs nimmt Bedenken ernst
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Betreiber demonstrierten Einhaltung der Grenzwerte / Jakobs nimmt Bedenken ernst Von Günter Schenke Großes Geschütz hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs gestern auffahren lassen, um einen Stadtverordneten-Beschluss vom September 2002 zu erfüllen. In diesem geht es um die mögliche Gefahr, die von den zahlreichen Mobilfunkantennen für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger ausgeht. Jakobs hatte ein Happening einschließlich einer kompletten Messstation im Raum 405 im Verwaltungshochhaus in der Hegelallee organisieren lassen. Vertreten waren die in Potsdam tätigen Mobilfunkbetreiber E-Plus, T-Online, Vodafone und O2, die mit ihrem Fachwissen und mit praktischen Demonstrationen zu beweisen suchten, dass von den Antennenanlagen keinerlei Gefahr ausgehe. Der erwähnte Beschluss der Stadtverordnetenversammlung beauftragt den Oberbürgermeister, seinen Einfluss geltend zu machen, damit die Mobilfunkbetreiber die Selbstverpflichtung eingehen und die Elektrosmog-Grenzwerte der Schweiz einhalten. Diese Grenzwerte sind wesentlich geringer als die in Deutschland vorgeschriebenen. Aber die Mobilfunkbetreiber, das wurde gestern deutlich, werden sich wahrscheinlich diese Selbstverpflichtung nicht auferlegen. Sie halten nämlich die deutschen Werte, die auf einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation WHO beruhen, für begründeter und unbedenklicher. Hartmut Rost, Experte bei T-Mobile in Berlin, führte in einem Vortrag aus, dass die in Deutschland geltenden Sicherheitsstandards denen in der Schweiz überlegen seien. Als Grund führte er im Wesentlichen an, dass in der Schweiz lediglich die Strahlung der Mobilfunkanlage gelte, während in Deutschland die Gesamtstrahlung das Kriterium sei. In der Schweiz werde der international nicht gültige „Anlagenwert“ für Orte, an denen sich Menschen dauerhaft aufhalten, angegeben. Dieser erfasse aber nicht die Strahlungen anderer Quellen. Zum Beispiel würden nach dieser Methode im Stadthaus nur die Feldstärken der Antennen auf dem Dach gemessen, nicht aber die vom Fernsehturm auf dem Schäferberg ausgehenden Strahlungen. Der Mobilfunk macht nämlich nur einen geringen Teil der Funkwellenstrahlung aus. Rost zeigte ein Kreisdiagramm, in dem alle Strahlungen, also auch TV- und Rundfunkwellen, verzeichnet sind. Von dieser „Strahlentorte“ nimmt der Mobilfunk nur ein schmales Stückchen ein. Noch ein anderes Kreisdiagramm, das der T-Mobile-Experte vorführte, ist aufschlussreich. Es zeigt, welcher Teil des zulässigen Grenzwertes tatsächlich an Strahlung auftritt. Und dabei stellt sich heraus: Selbst im „verkehrsreichen“ Rathaus sind es nur maximal 8,5 Prozent. Das heißt, man müsste die Strahlung um mehr als das Zehnfache vergrößern, um an den Grenzwert heranzukommen. Umweltverbände wie der BUND fordern jedoch, die derzeit gültigen Grenzwerte auf ein Hundertstel zu reduzieren. Derzeit sind in Potsdam 72 Standorte von Mobilfunkantennen in Betrieb. 47 weitere sind im Bau und 83 befinden sich in der Planung - insgesamt 130 neue. Oberbürgermeister Jann Jakobs versicherte, die Bedenken von Bürgern wegen der Strahlungen ernst zu nehmen. Bisher hätten daher zwei Beratungen mit den Mobilfunkbetreibern stattgefunden. „Wir müssen aber auch die Fakten zur Kenntnis nehmen“, sagte Jakobs. Und diese besagen, dass die Grenzwerte von 42 V/m, die im Bundes-Immissionsschutzgesetz festgelegt seien, weit unterschritten würden. Was angesichts dieser Lage aus dem Stadtverordnetenbeschluss wird, bleibt offen.
Günter Schenke
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