Von Erik Wenk Von Hella Dittfeld: 20 Minuten pro Kind
Statt Heiligabend zu feiern, spielt Student Steven Bender selber Weihnachtsmann
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Als Weihnachtsmann ist er mittlerweile schon ein echter Routinier: Bereits das vierte Jahr in Folge ist der Potsdamer Sportwissenschaftsstudent Steven Bender an Heiligabend mit rotem Mantel, falschen Bart und untergebundenem Kissen unterwegs, um brave Kinder zu bescheren. Seine Arbeit beginnt aber schon einen Tag vorher, am 23. Dezember, wo sozusagen die Generalprobe für Heiligabend stattfindet. „Ich fahre vorher die Route ab und stelle mich bei den Familien vor“, sagt der 28-Jährige. Das ist wichtig, schließlich gab es schon Weihnachtsmänner, die eine Familie vergessen haben. Bender ist dies aber noch nie passiert.
Nervös ist er vor den Auftritten mittlerweile nicht mehr: „Meist klopfe ich erstmal mit meiner selbst gebastelten Rute an die Tür, komme rein und stelle mich mit verstellter Stimme vor“, beschreibt Bender einen typische Auftritt. „Dann tue ich so, als ob ich vor lauter Geschenke-Tragen kaum noch laufen kann.“ Kamerascheu sollte man dabei nicht sein, denn nicht selten wird die ganze Bescherung auf Video festgehalten. „Etwas extrovertiert sein und über sich selbst lachen können“ sind Fähigkeiten, die Bender für den Job empfiehlt. „Ich bin auch kein so strenger Weihnachtsmann, sondern versuche das Ganze immer etwas locker zu machen.“
Bender ist immer in Rehbrücke unterwegs und hat dort schon so seine Stammkunden. 10 Familien muss er zwischen 14 und 18 Uhr besuchen, pro Auftritt sind maximal 20 Minuten eingeplant. „Manchmal vergessen die Eltern, dass ich auch noch zu vielen anderen Familien muss“, sagt Bender. Und wenn dann auch noch bei mehreren Auftritten überlange Gedichte aufgesagt werden („Zum Beispiel ‚In der Weihnachtsbäckerei’ – das hatte ich an einem Abend zweimal!“) wird es knapp mit der Zeit. „Normalerweise warten die Kinder ja auf den Weihnachtsmann, aber einmal musste sogar ich warten“, berichtet Bender, „da stand ich dann so zwei Minuten mit Oma und Opa im Wohnzimmer, während die Videokamera lief, bis das Mädchen endlich kam.“ Wirklich schief gegangen sei bei ihm aber noch nie etwas: Kein Am-Bart-Ziehen, kein Kissen-Runterreißen.
All diese Erfahrungen muss man ohnehin selbst sammeln, denn ein richtiges Weihnachtsmann-Training gibt es nicht: Die Jobvermittlung des Studentenwerks Potsdam vergibt lediglich die Termine und stellt ein Kostüm. Auch zu Ostern in einem Hasenkostüm zu arbeiten, wurde Bender schon angeboten, aber das ist nicht sein Ding: „Als Weihnachtsmann ist man viel mehr eine Respektsperson.“ Als solche lässt er alle Kinder der Familie, deren Namen er sich vorher gut eingeprägt hat, ein Gedicht aufsagen: „Einmal musste bei mir auch ein 21-Jähriger ein Gedicht aufsagen – da bin ich eiskalt“, grinst Bender. Auch den einen oder anderen Tadel verteilt der Student vor der Bescherung, da die Eltern ihm vorher verraten, welches Kind vielleicht zu oft seine Geschwister geärgert oder seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Mancher Auftritt stimmt ihn auch etwas skeptisch: „Manchmal bekommen ganz kleine Kinder schon über 20 Geschenke; da frage ich mich, ob die Leute nicht irgendwie den Wert von Weihnachten aus den Augen verloren haben.“
Bender kann den Job allen Studenten nur wärmstens empfehlen: „Man verdient an einem Abend so viel, dass man fast einen Monat davon leben kann.“ Doch einen großen Nachteil hat das Ganze: „Man hat selber nichts mehr von Weihnachten, wenn man erst um 20 Uhr zu Hause ist.“ Und da Bender nächstes Jahr selber Vater wird, soll es dieses Jahr die letzte Tour werden. Das ist ein Verlust, denn, so verrät Bender: „Es gibt insgesamt zu wenig Weihnachtsmänner für Potsdam.“ Aber vielleicht wird das durch die hohen Erstsemester-Zahlen dieses Jahr ja ausgeglichen.
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