Von Hella Dittfeld: 25 Kilo auf der Schulter
Die brasilianische Band Fanfarra brachte gleich den Bürgermeister ihrer Heimatstadt Atibaia mit
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Darauf muss man erst einmal kommen: Wegen der hochsommerlichen Temperaturen ist für alle Teilnehmer an den Weltmeisterschaften der Marching Show Bands genug Wasser eingekauft worden – doch die Brasilianer waren nicht darauf vorbereitet, dass es mit Calcium angereichert ist. Also bekamen die meisten Wassertrinker Durchfall. Nicole Wersig, die mit ihrem blonden Haarschopf gut erkennbar unter den dunkelhaarigen Brasilianern hervorleuchtet, rotierte und bestellte erst einmal literweise calciumfreies Wasser. Auch so etwas gehört zu den Aufgaben einer Band-Betreuerin, neben der Begleitung zu den Spielstätten, zum Essen und zur Freizeit.
Die frischgebackene Potsdamer Abiturientin, die Spanisch und Englisch spricht, kommt mit ihrer etwa 100-köpfigen Mannschaft prima klar. Portugiesisch kann sie leider nicht. Das wird durch Gesten ersetzt. Obwohl es nicht immer leicht sei, die Jugendlichen zu bändigen, bekennt Wersig. 86 Musiker, Tänzerinnen und Fahnenschwinger der Fanfarra Municipal de Atibaia sind mit einigen Eltern als Betreuer, Banddirektor und Trainern Sonntagnacht in Berlin angekommen und haben auch gleich noch den Bürgermeister von Atibaia mitgebracht. Der ist ein großer Förderer der Band, die sich verkürzt Fama nennt, was auf Portugiesisch Ruhm bedeutet. Davon haben die Bandmitglieder schon jede Menge eingeheimst als sechsfacher brasilianischer Landesmeister, Weltmeister und Goldmedaillengewinner in Kerkrade (Holland). Kein Wunder, dass das Oberhaupt der etwa 120 000 Einwohner zählenden Stadt, die nahe bei Sao Paulo liegt, stolz auf seine Musikbotschafter ist. Auch das städtische Programm „Musik und Bürgersinn“, mit dem Kinder von der Straße geholt werden, trägt gute Früchte.
Wer zur Weltspitze der Marching Show Bands gehört, darf sich zwar im Ruhm sonnen, auf Rosen gebettet ist er aber keineswegs. Zwölf Stunden waren die Fanfarras unterwegs, schliefen höchstens zwei Stunden und doch ging es am Montag bereits zu ersten Proben ins Luftschiffhafenstadion und danach zur Eröffnungsveranstaltung. Am Abend seien alle ins Bett gesunken, das für die Brasilianer in der Kaserne in Beelitz steht. Gestern nun die erste Freizeit mit Besichtigung des Filmparks Babelsberg. „Zwei Stunden“, winkt Wersig ab, damit niemand auf falsche Gedanken kommt. Denn der nächste Auftritt entlang der Filmpark-Magistrale wartet schon.
Die Uniformen werden angezogen. Die Farbe Türkis, die das Schwarz-Weiße komplettiert, leuchtet schon von Weitem, hohe Federn wippen an den Helmen, perfekt geschwenkte Fahnen vervollständigen das farbenfrohe Bild. Die großen Blasinstrumente blinken. 25 Kilo tragen die Spieler auf den Schultern. Die Filmparkbesucher sind fasziniert, spenden Beifall und dann kehrt Marsch, noch einmal das Ganze die Straße zurück. Banddirektor Rogerio Brito Wanderley läuft gewichtig nebenher, gibt Hinweise und seine Fanfarras parieren aufs Wort. So sei es auch beim Essen oder Schlafengehen. Bei aller fröhlichen Ausgelassenheit und dem brasilianischen Temperament – das Wort des Chefs sei Gesetz, erzählt Wersig. „Es sind aber alles sehr liebe Menschen“, schwärmt sie.
Auch Fanfarra-Mitglied Gabriela will alles positiv sehen, obwohl sie offenbar die deutsche Organisationswut nervt. Sie findet die Deutschen etwas stressig. Und da scheint sie nicht allein zu sein. Die anderen Bands werfen auch gern mal schnell und völlig stressfrei alle möglichen gut ausgeknobelten Pläne durcheinander.
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