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Predigerwitwenhaus in der Breiten Straße: 324 Jahre, 429 Frauen

Barbara Wiesener schrieb über die Geschichte des Predigerwitwenhauses.

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In gedruckten Stadtführern und bei geführten Stadtbesichtigungen wird das Predigerwitwenhaus in der Breiten Straße oft als ältestes Gebäude Potsdams gezeigt. Aber dafür gibt es nach neuen Erkenntnissen keine eindeutigen Quellen. Zwar hätte es mit seiner Eröffnung 1682 schon 334 Jahre auf dem Buckel, doch auf den alten Grundmauern gibt es seit 1826/27 einen klassizistischen Neubau. Barbara Wiesener tappt in ihrer Veröffentlichung „Das Potsdamer Predigerwitwenhaus – ein Ort der Frauen“ ebenfalls im Dunkeln. Der Autorin geht es darin in erster Linie nicht um die Baugeschichte, sondern um die Frauen, die im Haus wohnten.

„Ehrbare arme Witwen“ sollten, so der Wunsch des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, im Predigerwitwenhaus „verpflegt“ werden. Von 1682 bis zur Schließung im Jahr 2006 lebten dort 429 Frauen. Im Matrikel, das über die Bewohnerinnen Buch führt, ist zu lesen, dass am 2. September 1682 die 40-jährige Glasermeisterwitwe Anna Maria Gondola aus Drewitz „nebst drei Kindern“ eingezogen ist. Dann fanden die Witwen eines Hauptmanns, eines Wachtmeisters, dort Unterkunft. Doch insbesondere wurde „auf Prediger- und Schulbediensteten-Witwen reflexion gemacht“.

Aber Barbara Wiesener hat auch die Chronik und die Lebensberichte der Frauen studiert – so kann sie in ihrer 38 Seiten umfassenden Publikation auch einen intensiven Einblick in das Leben und Wohnen im Haus geben. Erst im Jahre 1945 begann man mit diesen Aufzeichnungen. Der Leser ist beeindruckt von der Bescheidenheit, mit der die Pfarrerswitwen es bewohnten. Vereinzelte Ehepaare verbrachten dort ebenfalls ihren Lebensabend.

Sie waren nicht unkritisch gegenüber dem Konsistorium in Berlin. Als ein Oberkonsistorialrat zum 300-jährigen Jubiläum bemerkte, dass das Haus „alle Voraussetzungen für ein besinnliches und behütetes Wohnen in einem Altersheim erfüllt“, konterte die Chronistin Charlotte Hildebrandt, dass davon keine Rede sein könne. Schließlich müssen sich 14 Bewohnerinnen ein Badezimmer teilen, sieben eine gemeinsame Toilette. 1979/80 wurde das Haus an die Fernwärme angeschlossen und peu á peu Sanierungs- und Renovierungsarbeiten durchgeführt. Doch das Betreiben des Hauses wurde der Kirche zu teuer. 2006 verkaufte sie es an einen Investor. Neue Wohnungen entstanden. Ohne aufdringlich zu sein und mit nachdenklicher Stille hat die Autorin über ein Stück Stadtgeschichte geschrieben, das ohne große Namen auskommt. 

Buchlesung am morgigen Mittwoch, 19 Uhr, in der Stiftungsbuchhandlung, Gutenbergstraße 72

Barbara Wiesener: Das Potsdamer Predigerwitwenhaus. Erschienen im Arke Verlag Potsdam. 38 Seiten, Preis: 8 Euro.

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