
© A. Klaer
Skandal wird für Stadtwerke Potsdam noch teurer: 400.000 Euro: "Alternativloser" Aufhebungsvertrag mit Petra V.
Die ehemalige Prokuristin Petra V. bekam ungenehmigt hohe Gehälter. Daher kostet die Vertragsauflösung nach PNN-Recherchen auch mehr als 400 000 Euro.
Stand:
Potsdam - 24 Monate lang je 10.000 Euro ohne jede Arbeitsleistung, dazu noch einmal 169.000 Euro Abfindung: Die Stadtwerke-Tochter Stadtentsorgung (Step) hat ihrer zuvor ohnehin immer üppiger entlohnten Ex-Prokuristin Petra V. in diesem und im vergangenen Jahr mindestens 409.000 Euro zu zahlen. Das ergibt sich aus dem den PNN vorliegenden Aufhebungsvertrag mit V., den die Step vor etwas mehr als einem Jahr mit der Vertrauten des 2011 geschassten Stadtwerke-Chefs Peter Paffhausen aushandelte.
"Sehr gut": Wohlwollendes Arbeitszeugnis für Petra V.
Der 13-seitige Aufhebungsvertrag – „zur Vermeidung einer ansonsten unumgänglichen Kündigung“ von V. – gewährt ihr zwischen 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 den „Anspruch auf Zahlung einer monatlichen Vergütung von 10.000,00 Euro brutto“, ohne weitere Zuschläge und Boni. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhält sie zudem eine „vererbliche Abfindung“ in Höhe von 169.000 Euro. Ferner kann sie ihr iPhone-5-Diensthandy behalten sowie den Dienstwagen Audi A3 für 13.925 Euro kaufen. Bemerkenswert auch: Für ihre Arbeit erhält V. ein „qualifiziertes wohlwollendes Zeugnis“ mit der Note „sehr gut“.
Über den Aufhebungsvertrag, unterzeichnet am 4. Mai 2015, war monatelang verhandelt worden. Die Step, das kommunale Abfall- und Entsorgungsunternehmen, wollte Prokuristin V. unbedingt loswerden. Ende 2014 hatte der inzwischen beurlaubte technische Step-Geschäftsführer, Enrico Munder, an die Gesellschafter des Unternehmens – zu 51 Prozent die Stadtwerke, zu 49 Prozent die private Remondis-Gruppe – geschrieben, dass bei einem Bauvorhaben in Verantwortung von V. „Fehler in der Steuerung“ aufgetreten seien. Die Vertrauensbasis zu V. sei weggefallen, ihr müsse die Prokura entzogen werden. Überrascht zeigt sich Munder in dem Schriftstück darüber, dass der damalige Kaufmännische Step-Geschäftsführer Holger Neumann die notwendigen Maßnahmen „nicht mittragen“ mochte.
Das verwundert jetzt kaum mehr: Als Prüfer besagte Vorgänge unter die Lupe nahmen, stellten sie wie bereits berichtet erhebliche Verstöße bei Bauprojekten und Vergaben durch V. und Neumann fest. Offiziell werden sollte das aber nicht: In dem Abfindungsvertrag verpflichten sich beide Seiten – Step und V. – bei Presseveröffentlichungen zu der Formulierung, die Arbeitnehmerin „scheide in bestem Einvernehmen aus“.
Verdacht: Petra V. wurde über Jahr begünstigt
Schon vor dem Aufhebungsvertrag hat die Step viel Geld an V. gezahlt. Wirtschaftsprüfer stellten im März fest, dass V. von jeweils wechselnden Step-Geschäftsführern zwischen 2004 und 2014 Mehrvergütungen in Gesamthöhe von 476.091 Euro zugesprochen worden waren – an allen Gremien, die dies hätten jeweils genehmigen müssen, vorbei. Im Raum steht der Verdacht, dass V. über Jahre begünstigt wurde – ausgehend von ihrer Rolle bei der Rekommunalisierung des Wasserbetriebs im Jahr 2000 und auch begründet in ihrem nahen Verhältnis zu Paffhausen.
Neumann, ebenfalls lange unter Paffhausen bei den Stadtwerken und ihren Töchtern tätig, war 2009 kaufmännischer Chef der Step mit ihren rund 200 Mitarbeitern geworden und hatte diesen Posten im März 2015 zugunsten des heutigen Geschäftsführers Burkhard Greiff von der Remondis-Gruppe aufgegeben. Neumann wolle sich auf seine Cheftätigkeit bei der Energie und Wasser Potsdam (EWP) – der großen und profitablen Stadtwerke-Tochter – konzentrieren, hieß es.
Inzwischen ist Neumann bei vollem Jahresgehalt von rund 200.000 Euro freigestellt, Grund sind vor allem die nicht genehmigten Vergütungen von Prokuristin V. Dass sie begünstigt worden wäre, weist Neumann zurück. Zuletzt hatte er in einem Schreiben an den EWP-Aufsichtsrat erklärt, die Vergütungen seien üblich gewesen. Dagegen hatte Greiff Prüfern erklärt, bei Remondis erhielten Mitarbeiter in vergleichbarer Stellung wie V. maximal 50.000 Euro Jahresgehalt. Dazu kommt: Die Wirtschaftsprüfer Beeh und Happich haben bei der Untersuchung der Vorgänge keine Dokumentationen zu den Gründen für die Gehaltserhöhungen für V. gefunden.
Aufhebungsvertrag sei alternativlos
Doch diese sind maßgeblich für den Aufhebungsvertrag, den Step und V. im Frühjahr 2015 geschlossen haben, stellen die Experten der Kanzlei Raue fest: Der Aufhebungsvertrag mit V. sei gemessen an der „Vertragslage“ – also den vorher erfolgten Entlohnungen und Bonizahlungen – „angemessen“ und geradezu alternativlos. Die über Jahre mutmaßlich überhöhte Vergütung von V. habe sich für den Aufhebungsvertrag als Berechnungsgrundlage „zum Nachteil“ der Step ausgewirkt – dennoch bleibe unterm Strich, dass nur mit dem Aufhebungsvertrag weitere Kosten für die Step vermieden werden, beurteilen die Juristen. Sie heben zudem hervor, dass V. über eine Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum Jahresende verfügte. Diese ungewöhnlich lange Frist hatte, stellten die Prüfer fest, Paffhausen erbeten – nur wenige Tage vor seinem Rücktritt als Stadtwerkechef im Mai 2011.
Kenntnis von dem Aufhebungsvertrag für V. hatte auch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Jakobs hat dem Vertrag vor Unterzeichnung zugestimmt, bestätigte ein Rathaussprecher auf PNN-Anfrage. Der damalige Stadtwerke-Chef Wilfried Böhme habe Jakobs erklärt, dass das Arbeitsverhältnis mit V. wegen der Bündelung der Vergabe- und Einkaufsstelle im Konzern wegfalle. Eine vorzeitige Beendigung sei – trotz Abfindung – von Vorteil, habe Böhme begründet. Aus dem Vertrag seien die zuvor ungewöhnlich hohen Gehaltserhöhungen und Bonusleistungen für Jakobs nicht ersichtlich gewesen, so der Sprecher – davon habe der Oberbürgermeister erst in diesem April erfahren, weshalb auch erst dann Untersuchungen der Vorgänge eingeleitet werden konnten.
Bei den Stadtwerken ist die aus Gebührengeldern finanzierte Stadtentsorgung in der Wichtigkeit nach EWP und Verkehrsbetrieb angesiedelt. Rund 200 Mitarbeiter sind dort beschäftigt. 2014 zahlte man für diese rund 7,2 Millionen Euro für Löhne und Gehälter, also etwa 35 000 Euro pro Mitarbeiter und Jahr. Das letzte Jahresgehalt von V. betrug – mit allen Zuwendungen – knapp 160 000 Euro.
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