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Landeshauptstadt: 42 mal Freiheitsentzug

Häusliche Gewalt gegen Frauen nimmt zu

Stand:

Häusliche Gewalt gegen Frauen nimmt zu Die Zahlen sind alarmierend: 142 mal musste die Polizei im Schutzbereich Potsdam im vergangenen Jahr Frauen zur Hilfe eilen, die Opfer häuslicher Gewalt waren. Und 2004 wird es voraussichtlich noch mehr Fälle geben: Von Januar bis August sind schon 134 Soforteinsätze registriert. 2003 wurden 27 Männer aus der gemeinsamen Wohnung verwiesen, 2004 bereits 40. 6 mal erteilte die Polizei in diesem Jahr männlichen Gewalttätern Aufenthaltsverbot (2003: 5), 42 mal kam es gar zu Freiheitsentzug (2003: 29). Das berichtete Olaf Diehl, Polizei-Sachbearbeiter für Prävention, gestern bei der Veranstaltung „Hinsehen und handeln – Potsdamer Bündnis gegen Gewalt an Frauen und Kindern“ im Alten Rathaus. Anlässlich des internationalen Aktionstages „Nein zur Gewalt gegen Frauen“ am 25. November 2004 informierten Vertreter von Potsdamer Fraueneinrichtungen über die Situation in der Stadt und suchten nach Möglichkeiten, die Kooperation zwischen Beratungsstellen, Frauenhaus, Polizei, Verwaltung und sozialen Verbänden noch zu verbessern. „Die Zahlen machen deutlich, dass die polizeilichen Maßnahmen greifen, dass die Mitarbeiter stärker sensibilisiert sind und die Anzeige-Bereitschaft von Frauen zunimmt“, sagte Diehl. Darüber hinaus habe jeder Schutzbereich in Potsdam einen Opferschutzbeauftragten. (Die polizeilichen Maßnahmen zum Opferschutz sind Folge des am 25. November 2003 in Kraft gesetzten Gewaltschutzgesetzes.) Das „proaktive Gespräch“, in dem die Polizei das Opfer über das Gesetz aufklärt, Adressen, Informationen und Beratungsstellen nennt, greife, erklärte Lydia Sandrock von der Potsdamer Beratungsstelle für Frauen und Mädchen. Die zur Hilfe gerufenen Polizisten vermitteln jedes dritte Opfer an die Beratungsstelle weiter. „Eine gute Zusammenarbeit“, lobt die Therapeutin. Viele der Rat suchenden Frauen seien in ihren Gefühlen sehr ambivalent. Sie fühlen sich zum Täter hingezogen, geben sich selbst die Schuld dafür, geschlagen worden zu sein, bagatellisieren das Verhalten ihres Mannes und glauben daran, dass sich alles zum Guten wendet, wusste Sandrock. Das seien typische Folgen von Gewalterfahrung. Die Reaktion der Frauen ähnele dem Verhältnis eine Geisel zu ihrem Entführer: Sie versucht sich zu schützen, in dem sie sich mit ihm solidarisiert. Die Mitarbeiterinnen versuchen den Frauen sukzessiv klar zu machen, dass auch provozierende Worte keine Gewalt rechtfertigen und dass die Frauen auch in Zukunft nicht ihre Männer verändern können – die meisten haben es seit Jahren vergeblich versucht. Die Helfer versuchen die Opfer darauf hinzuführen, sich zu trennen und wieder Selbstbewusstsein zu gewinnen. „Der Leidensdruck ist äußerst hoch, wenn die Frauen zu uns kommen“, erklärte Friederika Geißler vom Frauenhaus: 60 Frauen und 40 Kinder finden hier jährlich Unterschlupf, bis sie wieder auf eigenen Beinen stehen können. Erheblich erhöht habe sich in den letzten Jahren der Anteil Hilfe suchender Migrantinnen aus den GUS-Staaten. Obwohl seit ein paar Jahren mehr über das Thema geredet wird, nimmt häusliche Gewalt an Frauen weltweit zu, erklärte Gastrednerin Barbara Lochbihler, Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland. Marion Hartig

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