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Tanz gegen Gewalt an Frauen. Auf den Alten Markt sind am Dienstag etwa 50 Potsdamer gekommen, um mit Studentinnen der Fachhochschule Clara Hoffbauer zum Lied „Break the chain“ zu tanzen, dem weltweiten Song für die Protestaktion „One Billion Rising“.

© Andreas Klaer

"One Billion Rising" in Potsdam: 50 Potsdamer tanzten gegen Gewalt an Frauen

Eine von drei Frauen weltweit wird laut UN-Statistik Opfer von Gewalt. Mit der Tanzaktion "One Billion Rising" soll auf diese Zahl aufmerksam gemacht werden. Auch auf dem Alten Markt in Potsdam wurde tanzend gegen Gewalt protestiert.

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Potsdam - „Wir sprengen die Ketten“, ruft Anna Krieger, Studentin an der Fachhochschule Clara Hoffbauer, den etwa 50 Frauen und fünf Männern zu. Sie hatten sich am Dienstagnachmittag auf dem Alten Markt versammelt, um mit der Aktion „One Billion Rising“ – was so viel heißt wie „Eine Milliarde erhebt sich“ – auf Gewalt an Frauen aufmerksam zu machen. „Break the chain“ heißt das Lied, das weltweit für den Tanz gespielt wird.

Die Studentinnen des Studiengangs „Bewegungspädagogik und Tanz in der sozialen Arbeit“ hatten sich eine Choreografie zum Lied „Break the chain“ ausgedacht. Schon zum vierten Mal hatten Potsdams Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth-Koschnick und das Frauenzentrum zu „One Billion Rising“ eingeladen – eine Aktion, die sich in diesem Jahr dem Motto „Solidarität gegen die Ausbeutung von Frauen“ widmet. Damit wollen sie auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam machen, besonders durch Ausbeutung und Zwangsarbeit.

Sozialdezernent Mike Schubert tanzte ebenfalls mit

Die etwa 50 Teilnehmer – darunter auch Potsdams Sozialbeigeordneter Mike Schubert (SPD) – trotzen den Minusgraden und stellen den Liedtext mit ihren Bewegungen dar. Symbolisch sprengen sie die Ketten und zeigen mit ihrem Tanz auch Stolz darauf, eine Frau zu sein. Immer wieder heben sie ihre Arme, lassen sie sanft wieder nach unten gleiten, wenn das Lied langsamer wird. Seit 2014 findet die Aktion, die sich ursprünglich die Künstlerin Eve Ensler ausgedacht hatte, in Potsdam am Valentinstag statt. In diesem Jahr traf sich die Gruppe am Alten Markt. Auch in Berlin, Neuruppin, Rathenow und Cottbus haben sich Menschen getroffen, um gegen Gewalt an Frauen ein Zeichen zu setzen.

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Landesgleichstellungsbeauftragte Monika von der Lippe und die Gleichstellungsbeauftragte Potsdams, Martina Trauth-Koschnick, eröffnen die Protestaktion und finden klare Worte. Laut UN-Statistik werde eine von drei Frauen – also rund eine Milliarde – in ihrem Leben entweder Opfer einer Vergewaltigung oder einer schweren Körperverletzung. „Wir wollen ein buntes und fröhliches Zeichen setzen, gegen ein schreckliches Phänomen“, sagt von der Lippe. Trauth-Koschnick pflichtet bei: „Es geht um Solidarität mit Frauen in der ganzen Welt.“

300 Fälle häuslicher Gewalt in Potsdam 2015

Im Jahr 2015 waren in Potsdam unter den insgesamt 4069 gemeldeten Straftaten allein 303 Fälle häuslicher Gewalt. Das hatte eine Auswertung der Polizei ergeben. Die Zahlen für 2016 liegen der Behörde zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. „Die Dunkelziffer ist weitaus höher“, erklärt jedoch Monika von der Lippe, weil viele Fälle nicht gemeldet werden.

Auf Vernetzung setzt das Autonome Frauenzentrum Potsdam, das die Aktion „One Billion Rising“ mit organisiert hatte. „Die Gewalt gegen Frauen nimmt nicht ab“, sagt Jenny Pöller. Sie gestaltet für das Frauenzentrum politische Lobby- und Bildungsarbeit und war mit einigen anderen Mitarbeiterinnen und auch Besucherinnen des Frauenzentrums zu „One Billion Rising“ gekommen. Mittlerweile wenden sich auch immer mehr Frauen mit Migrationshintergrund an das Zentrum, hieß es. Das Frauenzentrum vermittle nicht nur bei häuslicher Gewalt, etwa in ein Frauenhaus, sondern leite auch an sein Beratungsnetzwerk weiter. Wafaa Mahmoud aus Syrien ist die einzige Tänzerin an diesem Nachmittag, die dafür ein kleines Protestschild angefertigt hatte. „Benutz bitte deine Menschlichkeit, aber nicht deine Männlichkeit“ hat sie mit roter Farbe auf ein Stück Pappe geschrieben. „Es ist eine Chance für mich, heute auch stellvertretend für die Frauen hier zu sein, die aus ihrer Heimat geflohen sind“, erklärt sie. Deutschland zeige, im Gegensatz zu anderen Ländern, einen großen zivilgesellschaftlichen Einsatz und dafür sei sie sehr dankbar.

Nicht nur Frauen, auch Männer suchen Beratung

Auch die Opferhilfe bietet Frauen und Männern Hilfe an. Julia Rollheiser vom Verein Opferhilfe Brandenburg ist in Potsdam zuständig für die Beratung und führt Erstgespräche. „Zu uns kommen nicht nur Frauen, auch Männer wenden sich bei traumatischen Erlebnissen oder emotional belastenden Situationen an uns“, erklärt sie. Der größte Teil seien allerdings Frauen. „Im vergangenen Jahr haben wir etwa 200 Menschen betreut“, resümiert Rollheiser. Zugenommen hätten die Fälle im Bereich Stalking und Cybermobbing. Meist seien Frauen die Opfer. Die Opferhilfe begleitet die Betroffenen bei anstehenden Gerichtsterminen, hilft aber auch, wenn es Probleme mit dem Sozialamt oder mit der Kinderbetreuung gibt. „Wir sind gut vernetzt“, sagt die Pädagogin. Das Frauenzentrum und die Opferhilfe sind nur zwei der Einrichtungen in Potsdam, die Frauen in Fällen von häuslicher Gewalt oder anderem helfen.

Die nächste Veranstaltung von Frauen und für Frauen ist zum internationalen Frauentag am 8. März im Frauenzentrum geplant. Ab 19 Uhr sind „alle Frauen, die Lust haben“ dazu eingeladen, gibt Jenny Pöller vom Frauenzentrum den Teilnehmern der Protestaktion noch mit auf den Heimweg, nachdem „Break the chain“ zwei Mal unter vollem Einsatz durchgetanzt wurde.

Am Ende, als die Sängerin vom Band noch einmal die Liedzeile „One Billion Rising“ singt, erheben die Frauen ihren rechten Zeigefinger zum sich verdunkelnden Nachmittagshimmel. Es soll eine Mahnung sein.

Josephin Hartwig

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