
© Hans Weber/Potsdam Museum, FS 9019
80 Jahre „Nacht von Potsdam“: Nach 37 Minuten war alles vorbei
Am 14. April jährt sich der britische Luftangriff auf Potsdam zum 80. Mal. Mindestens 1593 Tote waren zu beklagen, die historische Innenstadt zerstört. Was damals passierte.
Stand:
Das Bombardement dauerte nur rund 20 Minuten, nach 37 Minuten war auch der letzte britische Flieger wieder abgedreht. Der von Deutschland begonnene Vernichtungskrieg hatte da bereits sechs Jahre in Europa gewütet und Millionen Todesopfer gefordert. Potsdam war vom Kriegsgeschehen weitgehend verschont geblieben – bis zum Abend jenes 14. April 1945. Nun wurde auch die frühere preußische Residenzstadt, die Adolf Hitler 1933 als Kulisse für die Inszenierung der Machtergreifung am „Tag von Potsdam“ diente, mit voller Wucht getroffen.
Große Teile der Innenstadt lagen nach dem Angriff in Trümmern. 881 Häuser waren vollständig zerstört, weitere 394 unbewohnbar. Schwer getroffen waren nicht nur der Bahnhof und das unweit davon befindliche Arado-Flugzeugteilwerk, sondern auch das städtische Krankenhaus, das Stadtschloss, die Garnisonkirche, der Palast Barberini.
1593 Bombenopfer machte Karl-Heinz Peter Voß für sein 2002 erschienenes Buch „Potsdam 1945“ nach Recherchen in den Unterlagen der Potsdamer Friedhöfe ausfindig. Diese Zahl, so betonte zuletzt die Historikerin Helene Heldt vom Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw), kann bis heute nur als Schätzung gelten – denn zum Zeitpunkt der Bombardierung hätten sich viele Flüchtlinge, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in der Stadt befunden.
22.15 Uhr ertönte Fliegeralarm
Den genauen Ablauf des Fliegerangriffs, der den Codenamen „Crayfish“ (Flusskrebs) trug, hat der 2008 verstorbene Lokalhistoriker Hans-Werner Mihan minutiös rekonstruiert – nachzulesen in seinem erstmals 1997 erschienenen Buch „Die Nacht von Potsdam“.
Demnach starteten damals zwischen 17.45 Uhr und 19 Uhr von 25 Flugplätzen in Großbritannien aus 500 Lancaster und zwölf Mosquitos. Für Ablenkungsangriffe auf Cuxhaven, Wismar und Berlin stiegen weitere 100 Flugzeuge auf. Zusätzlich kamen 112 Maschinen für die Radarstörung und Überwachung der deutschen Nachtjagd-Flugplätze zum Einsatz. Insgesamt also waren 724 britische Flugzeuge beteiligt. Auf eine Länge von 60 bis 70 Kilometern schätzt Mihan die Schlange an Maschinen, die ihre explosive Fracht über der Stadt abwerfen sollten.
22.15 Uhr ertönte in Potsdam Bombenalarm – zur Erinnerung werden auch am Jahrestag wieder die Kirchenglocken läuten. Zu diesem Zeitpunkt erreichten die britischen Maschinen den Raum Hannover/Braunschweig. Den endgültigen Befehl zum Abwurf gab als sogenannter „Master Bomber“ Oberstleutnant Hugh Le Good um 22.39 Uhr.
Um 22.40 Uhr schlugen die Instrumente beim Deutschen Wetterdienst wegen der ersten Explosionen aus, wie Mihan recherchiert hat. Zeitzeugen berichten von „Christbäumen“ – wohl Beleuchtungsbomben, die die Stadt in helles Licht tauchten.
Es folgten Markierungsbomben mit roter und grüner Farbe und schließlich die Sprengbomben. 1716 Tonnen davon gingen auf Potsdam nieder, so Mihan. Der Rauch der brennenden Stadt, so schildert es Einsatzchef und Pilot Le Good in seinem Bericht, zog sich bis in vier Kilometer Höhe: „Gegen Ende des Angriffs verschwanden die Markierungen im Qualm.“ 23.16 Uhr verließ der letzte Flieger das Stadtgebiet.

© Hans Weber/Potsdam Museum, FS 22557
Warum Potsdam? Als mittlerweile widerlegt gilt die These, dass die Stadt als Zentrum des preußischen Militarismus getroffen werden sollte. Der Angriff stand im Rahmen des sogenannten Thunderclap-Plans, dem finalen „Donnerschlag“ gegen Nazi-Deutschland, wie Historikerin Heldt erklärte: „Die Quellenlage dazu ist eindeutig: nicht der preußische Militarismus war das Ziel, auch nicht die Bevölkerung, sondern der Hauptbahnhof.“
An die Opfer des Bombenangriffs wird seit 1978/79 auf dem Neuen Friedhof mit einen Ehrenhain erinnert.
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