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Landeshauptstadt: Ab 2010 mehr Geld für jüdische Gemeinden

Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) über die Gesetzestreuen, den Staatsvertrag und den Synagogenneubau

Stand:

Welches Konzept hat Brandenburg, um jüdisches Leben im Land zu etablieren?

Brandenburg hat einen anderen Weg gewählt als andere Bundesländer, wo die jüdischen Zuwanderer sich in großen Gemeinden zusammenschlossen. Wir haben in Brandenburg sieben Ortsgemeinden, das macht es natürlich schwieriger, weil sie kleiner und weiter entfernt sind. Es gab Bemühungen vom jüdischen Landesverband, das zu ändern, doch die jüdischen Einwanderer wollen diese Struktur behalten. Wir haben mit dem Landesverband einen Staatsvertrag abgeschlossen und finanzieren jüdisches Leben.

Mit welchem Erfolg?

Wir haben in unserem Haus eine Studie in Auftrag gegeben, um zu erfahren, wie denn die Situation von Menschen jüdischen Glaubens in unserem Land ist. Wie sind die Kontakte mit der kommunalen Verwaltung? In welchem Maße ist Integration erfolgt? Diese Analyse haben wir an eine ehemalige Studentin für Jüdische Studien der Universität Potsdam vergeben und sie steht kurz vor dem Abschluss. Wenn die Daten ausgewertet sind werden wir mit den anderen zuständigen Ministerien und dem jüdischen Landesverband einen Runden Tisch einrichten.

Mit der Integration jüdischen Lebens in Brandenburg ist es nach Einschätzung des Generalsekretärs des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, nicht weit her. Mit Verweis auf die schlechte Finanzausstattung der Gemeinden in Brandenburg verweigerte er dem Synagogenbauprojekt in Potsdam seine Zustimmung.

Die Einschätzung Kramers teile ich nicht. Charlotte Knobloch als Präsidentin des Zentralrates hat sich ja dann auch konstruktiv geäußert.

Aber Brandenburg ist mit einem Zuschuss von 200 000 Euro pro Jahr Schlusslicht bundesweit

Nicht pro Kopf. In Schleswig-Holstein gibt es zum Beispiel eine geringere Förderung pro Kopf. In absoluten Zahlen ist die Summe nicht so hoch, weil wir einen Landesverband haben, der nicht allzu groß ist.

Auch andere als Stephan Kramer haben bereits gesagt, dass sich mit 200 000 Euro gerade mal Gemeindebüros bezahlen ließen, aber kein Rabbiner, der der Grundstock wäre für jüdisches Leben.

Wir haben die schwierige Situation, dass der jüdische Landesverband Schulden hat. Wir können aber nicht einfach Steuergelder zur Schuldentilgung ausreichen, das dürfen wir nicht. Die jetzige Situation ist immer noch angespannt, weil immer noch Schulden getilgt werden müssen. Es gibt einen Plan über die Tilgung, der endet im Jahre 2009. Dann ist der Landesverband konsolidiert und die Situation wird besser. Der Landesverband hat sich sehr gut an den Schuldenplan gehalten und im vergangenen Jahr mehr getilgt als er verpflichtet war. Wir haben im letzten Jahr sogar die Möglichkeit gehabt, zusätzlich 35 000 Euro zuzuwenden, um die Finanzsituation zu verbessern. Diese Summe werden wir auch in diesem Jahr drauflegen.

Ab 2009 wird das Land seinen Betrag also erhöhen? Denn 200 000 Euro können nicht ausreichen, um jüdisches Leben in Brandenburg zu etablieren.

Es besteht sicher die Möglichkeit, die Summe 2010 anzupassen. Das ist auch im Staatsvertrag so vorgesehen. Ich sehe dem positiv entgegen. Der Landesverband hat sich konsolidiert, nicht nur finanziell, er ist ein zuverlässiger Partner. Die Treue bei der Schuldentilgung hat das Vertrauen im Umgang mit öffentlichen Mitteln gestärkt, das wird auch bei den Verhandlungen für die Jahre ab 2010 eine Rolle spielen. Aber ich erwähnte ja die zusätzlichen 35 000 Euro, die wir zahlen, um zu zeigen, uns ist die angespannte Finanzsituation der jüdischen Gemeinden bewusst.

Was geschieht mit den 35 000 Euro?

Das wird zur Finanzierung der allgemeinen Verpflichtung des Landesverbandes verwendet.

In Potsdam gibt es zwei jüdische Gemeinden und eine fühlt sich von Ihnen nicht hinreichend beachtet.

Ja, die Gesetzestreue Jüdische Gemeinde, die von Anfang an nicht zufrieden war mit dem Staatsvertrag. Der sieht eine Gesamtsumme für die Förderung des jüdischen Lebens in Brandenburg vor und hat den Passus, dass alle jüdischen Gemeinden davon partizipieren müssen. Im vergangenen Jahr bekam die Gesetzestreue Gemeinde 30 600 Euro aus der Gesamtsumme von 200 000 Euro. Der Landesverband hatte erstmals rückwirkend die Gesetzestreuen an den Staatsvertragsmitteln beteiligt und sie so behandelt, wie er seine eigenen kleineren Ortsgemeinden behandelt.

Aber das stellt die Gesetzestreuen nicht zufrieden?

Die Gesetzestreuen klagten und haben recht bekommen hinsichtlich eines alten Zuwendungsbescheides aus dem Jahre 2000. Wir haben dieses Urteil zum Anlass genommen, uns für 2000 und die Folgejahre so zu verhalten, wie das Gericht es vorschlägt und haben rund 100 000 Euro ausgereicht. Dieses Geld ist entgegengenommen worden, wir werden aber trotzdem weiter beklagt.

Sind Sie im Gespräch mit dem Geschäftsführer der Gesetzestreuen Gemeinde, Shimon Nebrat?

Es gibt keinen Gesprächskontakt, außer über die Anwälte. Das Verhältnis zu den Gesetzestreuen ist ein außerordentlich schwieriges, weil Herr Nebrat nicht zur Kommunikation bereit ist und nur über öffentliche Vorwürfe agiert. Deswegen hatte ich mir überlegt, wie wir ins Gespräch kommen könnten und habe zwei neutrale Personen gebeten, zu vermitteln: Andreas Kuhnert, Landtagsabgeordneter und selbst Pfarrer, der immer einen Gesprächskontakt zu Herrn Nebrat hatte, sowie der Theologe Richard Schröder aus Berlin, der ganz unverdächtig ist, Interessen meines Ministeriums zu vertreten. Der Versuch dieser beiden, mit Shimon Nebrat ins Gespräch zu kommen, war aber auch nicht von Erfolg gekrönt.

Das Gericht hat nicht nur die finanzielle Ausstattung kritisiert, sondern auch, dass sie im Grunde werten. Die Gesetzestreue sei für Sie die weniger akzeptable Gemeinde. Sie muss Geld beim Landesverband beantragen, dem sie nicht angehören will. Durch die Ungleichbehandlung, so das Urteil, schafften Sie unterschiedliche Voraussetzungen für die Entwicklung der Gemeinden.

Der Landesverband ist verpflichtet, die Gesetzestreuen zu beteiligen, so stehts im Staatsvertrag. Wir hatten mit Michel Friedmann, vom Zentralrat der Juden in Deutschland, lange Diskussionen vor dem Staatsvertrag, ob man dies trennt und der eindeutige Rat des Zentralrates war es, dies nicht zu tun. Sich nicht in die Interna und Konflikte einzumischen, sondern eine generelle Zuwendung zu geben, von der alle Gemeinden partizipieren.

So dass die 200 000 Euro de facto nicht durch sieben, sondern durch acht geteilt werden, weil es mit den Gesetzestreuen acht jüdische Gemeinden in Brandenburg gibt

Ja, de facto.

Sie folgen dem Vorschlag des Zentralrates, der Zentralrat wird aber von den Gesetzestreuen nicht akzeptiert. Es wäre ja auch nicht einfach, Protestanten und Katholiken in einen Vertrag zu bekommen

Es ist sehr, sehr schwierig. Ich bin so zurückhaltend, weil ich keine neue Eskalation des Streites mit den Gesetzestreuen möchte. Wenn zum Beispiel der Wunsch nach Auskunft der Mitgliederzahl der Gemeinde zurückgewiesen wird mit dem Hinweis, dass dies einem Außenstehenden nicht zustehe, dann sind das Dinge, da kann man nichts machen.

Berlin zum Beispiel unterscheidet. Da bekommt die große Gemeinde Zuwendungen, aber auch eine kleine orthodoxe Gemeinde bekommt das Geld direkt vom Senat.

Wenn Shimon Nebrat sagt, der Gesetzestreuen Gemeinde steht genau das zu was der Landesverband seit 1990 bekommen hat, dann ist das keine Basis. Ihm geht es auch nicht um 200 000 Euro oder das Doppelte, sondern wir hatten Anträge über 800 000 Euro Er hat sich in den zurückliegenden Jahren geweigert, Anträge zu stellen, die bescheidbar waren. Wenn ich einen Antrag über 800 000 Euro bekomme, kann ich nur ablehnen. Ein Antrag über 20 000 Euro oder 5000 Euro wäre sicher genehmigt worden. Es war nicht so, dass wir sie von uns aus nicht beteiligen wollten.

Wie wird sich das Land einbringen beim Neubau der Potsdamer Synagoge?

Wir haben die klare Aussage des Finanzministers, dass das Land das Grundstück Schlossstraße 1 zur Verfügung stellt und dass die Stadt Potsdam die Beräumung des Grundstückes besorgt. Über ein finanzielles Engagement des Landes für den Synagogenbau gibt es noch keinen Beschluss. Es gab zuerst die Vorstellung von jüdischer Seite, dass sich das Projekt vollständig über Spenden realisieren lässt. Das glaube ich aber nicht. Ich denke, dass sich das Land da engagieren wird, davon bin ich überzeugt. Es wird nicht möglich sein, eine Synagoge ohne Beteiligung des Landes zu errichten. Das halte ich für unwahrscheinlich.

Sollte sich die Stadt Potsdam, die 1957 maßgeblich an der Beseitigung der historischen Fassade beteiligt war, stärker zugunsten der Synagoge engagieren?

Die moralische Forderung dazu aufzumachen ist nicht Sache der Landesregierung.

In Bochum oder München gab es für den Synagogen-Neubau immer eine Drittelfinanzierung über Bund, Land und Gemeinde. Wäre das ein Modell?

Das haben wir so noch nicht besprochen, aber ich bin sicher, dass das Land sich engagieren wird. Wir setzen aber auch auf private Spenden und mit dem neuen Vorsitzenden des Bauvereins, Horst Mentrup, bin ich da auch zuversichtlich.

Wie lautet Ihr Fazit zur Integration jüdischen Lebens im Land?

Der jüdische Landesverband hat jetzt immerhin 1500 Mitglieder. Als Erfolg werte ich auch die Präsens des Institutes für jüdische Studien an der Universität Potsdam und das Moses Mendelssohn Zentrum am Neuen Markt in Potsdam. Im wissenschaftlichen Bereich ist das jüdische Leben in besonderem Maße vertreten. Die ersten drei Rabbiner, die inDeutschland nach 1945 wieder ausgebildet wurden, kamen aus Potsdam, vom Abraham Geiger Kolleg. Ministerpräsident Matthias Platzeck fragte damals, warum die Rabbiner denn in Dresden ordiniert wurden. Nun, das weltweit wahrgenommene Ereignis fand schlicht deshalb in Dresden statt, weil es dort bereits eine Synagoge gibt.

Das Gespräch führten Nicola Klusemann und Guido Berg

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