Sport: Ab in die Mitte
Bogenschießen hat in Glindow lange Tradition. Im Schützenpark wurden jetzt die Landesmeister ermittelt
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Die Szene hat etwas von einem Film, in der zur großen Schlacht gerufen wird und die Schützen in der ersten Reihe Pfeil und Bogen anlegen. Für einen kurzen Moment ist das Surren der Pfeile in der Luft zu hören. Dann ist Stille. Doch allein der Anblick der Hightech-Bögen verrät: Hier wird kein Film gedreht, sondern Sport gemacht. Mehr als 100 Bogenschützen aus ganz Brandenburg waren am vergangenen Samstag nach Glindow gekommen, um ihren Landesmeister zu finden.
Einer, der besonders gut mit Pfeil und Bogen umgehen kann, ist Nils Hintze. Seit vier Jahren trainiert er im Schützenverein zu Glindow 1924 das Bogenschießen, am Samstag wurde der Zwölfjährige Landesmeister in seiner Altersklasse. 616 von 720 möglichen Ringen hat er erzielt. „Das ist sehr ordentlich“, befanden die älteren Vereinskameraden, die Nils für ein Talent halten und daher besonders interessiert nach seinem Resultat fragten. Dreimal pro Woche geht er zum Training, seit er D-Kader des Landesverbandes ist, fährt er an Wochenenden zu Ranglistenturnieren, nach denen er jedesmal zur der Erkenntnis kommt: „Training lohnt sich.“ Ihm gefalle es, beim Training und bei Wettkämpfen draußen an der frischen Luft zu sein, sagt Nils, und ihm sei klar, das Bogenschießen keine so weit verbreitete Sportart wie Fußball ist. „Das macht nicht jeder“, meint er.
Tatsächlich jedoch liegt Bogenschießen im Trend: Fitness- und Mentaltrainer haben es genauso in ihr Repertoire aufgenommen wie Veranstalter für Managerseminare und Firmenevents . Unter dem Titel „Gesundheit für Rücken und Seele“ beschreibt etwa das „portalgesundheit“ die Vorzüge des Bogenschießens. Langjährigen Bogenschützen sind diese längst bekannt. „Früher war ich Schwimmer und habe bei einem Wettkampf alles reingehauen was ich hatte“, sagt Dietmar Thalmann, Trainer im Glindower Schützenverein. „Beim Bogenschießen geht es vielmehr darum, loszulassen. Je mehr man sich zwingt, desto mehr Fehler macht man“, meint er. Auch Nils Hintze glaubt, dass er sich in der Schule besser konzentrieren kann, seitdem er regelmäßig zu Pfeil und Bogen greift.
„Bogenschießen“, meint Thalmann, „ist nach Golf die technisch anspruchvollste Sportart.“ Die Herausforderung des Sports beschreibt er so: „Es ist die immer gleiche Art des Bewegungsablaufes, der innerhalb eines Wettkampfes wiederholt werden muss.“ Anlegen, ankern, visieren, loslassen sind die Elemente eines Bewegungsablaufes, der bei einem Wettbewerb über 100-mal wiederholt wird. Je störungsfreier der Ablauf, desto größer die Chance, möglichst viele Pfeile in der Mitte, im gelben Kreis, zu platzieren. Je mehr Treffsicherheit, Kraft und Konzentration nachlassen, desto größer die Gefahr, dass die Pfeile im roten, mittleren Bereich landen, oder gar im blauen und schwarzen Sektor. In der Qualifkationsrunde werden insgesamt 72 Pfeile abgefeuert. Vom Anlegen bis zum Loslassen dauert es zwischen sechs und zehn Sekunden pro Pfeil – „bei vollster Körperspannung“, so Dirk Titscher, Schießleiter während der Landesmeisterschaft. 20 Kilogramm Zugkraft braucht es, um den Bogen eines Erwachsenen zu spannen. Im Finalprogramm mit Viertel-, Halbfinal- und Endrunde werden nochmals jeweils zwölf Pfeile auf die Zielscheiben abgegeben, die je nach Alterklasse von zehn bis 70 Meter weit weg stehen. „Irgendwann wird der Wettkampf dann eine Frage der Kraft und der Ausdauer“, so Titscher.
Die sportliche Schallmauer, die beim Bogenschießen das Maß der internationalen Spitze ist, liegt bei 700 von 720 maximal zu erreichenden Ringen in der Qualifikationsrunde. Wo genau der Glindower Vereinsrekord steht, können weder Thalmann noch Titscher genau zu sagen. Doch die Zahl von 703 Ringen ist in der Glindower Schützengilde bestens präsent. Dieses Ergebnis verbuchte nämlich Paul Titscher vor drei Jahren und ist immer noch Deutscher Rekord. Der 27-Jährige zählt zu den besten Bogenschützen der Welt, seine ersten Pfeile schoss er im Glindower Schützenverein ab. 2004 wurde er Vize-Junioren-Weltmeister, „was für die Förderung unseres Standortes sehr förderlich war“, so Titscher senior. Denn mit Investitionsmitteln des „Goldenen Plans Brandenburg“ entstand 2005 die moderne Bogenschießanlage im Schützenpark. 60 Bogenschützen des Vereins haben hier ihre Trainings- und Erfolgsstätte: Denn hinter Nils Hintze belegten seine Vereinskammeraden Conrad Kircher und Adrian Kircher die Plätze zwei und drei in der Schülerklasse A, bei den Schülerinnen wurde Ina Stein Landesmeisterin. Ziel der jungen Schützengilde sind nun die Deutschen Meisterschaften.
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