Landeshauptstadt: Abendlicher Besuch eines Igels Der wöchentliche PNN-Gartentipp
Von Erhart Hohenstein Neulich abends sprang unser Kater von der Sofalehne und verlangte vehement mauzend Ausgang, der ihm bei Dunkelheit nicht gewährt wird. Auf der Gartenterrasse schnüffelte ein Igel herum.
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Von Erhart Hohenstein Neulich abends sprang unser Kater von der Sofalehne und verlangte vehement mauzend Ausgang, der ihm bei Dunkelheit nicht gewährt wird. Auf der Gartenterrasse schnüffelte ein Igel herum. Im Familienkreis erhoben sich besorgte Stimmen, man müsse dem Tierchen doch helfen, weil es sonst nicht über den Winter komme. Doch abgesehen davon, dass sich Kater Willi beim Beuteversuch eine blutige Nase geholt hätte, Freund Igel war einfach nur auf Nahrungssuche. Jetzt fressen sich die Stacheltiere den Speck an, der sie gut über den Ende Oktober beginnenden Winterschlaf bringt. Natürlich waren wir happy, dass in unserem Siedlungshausgarten ein Igel lebt. Und offensichtlich gut, denn das stattliche Tierchen wog gut anderthalb Kilo. Das spricht für die naturnahe Bewirtschaftung unseres Gartens. Wir verzichten auf Mineraldünger und chemische Bekämpfungsmittel, was Insekten und Spinnen, Schnecken und Raupen zugute kommt, die Hauptnahrung des Igels sind. Einen Reisig- und einen Laubhaufen, in dem sich die Insektenfresser vergraben können, gibt es ebenfalls. Vielleicht wird der Igel aber auch in den Hohlräumen unter unserem Gartenschuppen sein Winterquartier beziehen. Wir werden nicht nachschauen, um seinen Schlaf nicht zu stören. All dies wird den großstädtischen Tierfreund nicht befriedigen. Vor seinem geistigen Auge erscheinen immer wieder die totgeweihten Jungen des Septemberwurfs, mit noch halb geschlossenen Augen und einem Gewicht von nicht einmal 400 Gramm. Natürlich muss man einem solchen Tierchen helfen, wenn es bei beginnendem Frost im Garten umherirrt. Wir haben auch schon eins in einer gut ausgepolsterten Kiste im Keller und mit gelegentlichen Nahrungsgaben über den Winter gebracht. Notwendig ist eine Desinfektion gegen Milben und andere Schädlinge, die sich in den rund 8000 Stacheln festsetzen. Dazu sollte man einen Tierarzt aufsuchen. Wie die Überwinterung gelingen kann, dazu geben Informationsbroschüren des Naturschutzbundes (NABU) Deutschland Hinweise. Dennoch rät der NABU von solchen privaten Rettungsaktionen ab, an deren Ende dennoch die Mehrzahl der Igelchen eingeht. In Berlin gibt es eine Igelstation, und auch das Tierheim Potsdam nimmt nach Auskunft seines Leiters Detlef Wentzel in Ausnahmefällen verletzte Igel auf. So hart es klingt, Biologen sind nicht dafür, schwache Jungtiere über den Winter zu bringen. Dies widerspreche dem Prinzip der natürlichen Auslese und schädige insgesamt die bedrohte Population des unter Naturschutz stehenden Igels. „Der Igel - Pflegefall oder Outdoor-Profi?“ Die Broschüre ist gegen Einsendung von fünf 55-Cent-Briefmarken beim NABU Brandenburg in 14467 Potsdam, Lindenstraße 34, erhältlich.
Erhart Hohenstein
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