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Landeshauptstadt: Aber bitte mit Schuppen

Mario Weber, der letzte Potsdamer Innenstadt-Fischer, hat vor Silvester traditionell Hochkonjunktur

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Die Frau rief völlig entgeistert an. Das ginge gar nicht. Ohne Schuppen sei das neue Jahr gelaufen. Dabei ist für Mario Weber eines klar, küchenfertig, das bedeutet, die Schuppen sind ab. Der Havelfischer konnte seine Kundin beruhigen und zählt sie auch weiterhin zu seinen Kunden. Doch weiß er nun, dass die Legende gelebt wird – teils sogar mit großem Ernst. Wer also zu Silvester eine Karpfenschuppe in sein Portemonnaie legt, dem geht im neuen Jahr das Geld nie aus. Offenbar muss es hier und da auch schon geklappt haben, sonst würde gelegentlich nicht so sehr darauf bestanden werden, dass Cyprinus carpio L. keineswegs völlig nackt ausgeliefert wird.

Etwa eine Tonne Karpfen verkauft Mario Weber am Jahresende als Silvesterschmaus, ungefähr 500 Tiere zu je zwei Kilogramm. Diese ursprünglich aus Asien stammenden und von den Römern nach Europa gebrachten Tiere aus Webers Angebot haben sich in Weißig in der Lausitz auf Schlachtgröße gefressen. Frei lebende Havelkarpfen gebe es viel zu wenige, um der Potsdamer Nachfrage genügen zu können. Doch bisweilen holt Weber doch noch eines der dann teils über zehn Kilogramm wiegenden Exemplare aus dem märkischen Fließ. „Das ist Glückssache“, sagt Weber, der versichert, dass so ein großer und alter Fisch sehr gut schmeckt und er immer dankbare Abnehmer für sie hat, Leute, die in größerer Gesellschaft gern so einen Kawenzmann verspeisen. Aber auch die Zwei-Kilo-Exemplare seien wohlschmeckend – und haben immerhin einige Zeit in Havelwasser zugebracht, in Webers Netzen direkt an seinem Bootssteg, wenige Meter neben dem Winterliegeplatz der „Fridericus Rex“, des alten Fahrgastschiffes der Weißen Flotte.

Mario Weber ist selbst einer seiner besten Kunden – er mag Fische nicht nur in seinem Netz, sondern auch auf seinem Teller. „Fast jeden Tag esse ich Fisch“, verrät er. Karpfen werde bei ihm zu Hause „blau“ serviert, mit brauner Butter, Zitrone und Petersilie. Mit seiner Vorliebe für Fisch ist Weber nicht allein auf weiter Flur. Seine Geschäfte laufen gut, es gebe viele Vorbestellungen für Silvester. Nicht nur Karpfen wird zum Jahreswechsel gern genommen, auch Zander – echter Havelzander – kommt bei den Potsdamern zum Jahreswechsel auf die Pfanne, in den Topf oder die Röhre.

Potsdams letzter Innenstadt-Fischer teilt seine Vorliebe für Fisch nicht nur mit seinen Kunden - sondern auch mit Kormoranen. Diesen schwarzen Vögeln darf er per Gesetz jetzt durch Jäger nachstellen lassen und Mario Weber meint, wenn es schon so ein Gesetz gibt, müsse es auch genutzt werden. Einem befreundeten Jäger stellt er extra für die Kormoran-Jagd ein Boot zur Verfügung. Geld bekommt der Waidmann dafür nicht. „Dass macht dem Spaß“, sagt Weber.

Am Silvestersonntag hat Mario Weber seinen kleinen Fischereibetrieb in der Großen Fischerstraße bis 12 Uhr Mittags geöffnet. Wer an diesem Tag noch ohne Silvesterfisch dasteht, könne einfach so vorbei kommen, er habe sicher auch noch bis zum Schluss ein schönes Tier im Netz. Wer allerdings gar kein Risiko eingehen möchte, der solle doch besser bei ihm vorbestellen – und bitte extra angeben, ob der Karpfen alle oder wenigstens einige Schuppen noch dran haben sollte.

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