zum Hauptinhalt

Brauhausberg in Potsdam: Aberwitz mit Aussicht

Mit Grünplanerin Hildtrud Berndt einmal über den Brauhausberg und quer durch seine Geschichte: Sie beginnt verheißungsvoll mit Wein und Bier – und ist noch lange nicht zu Ende.

Stand:

Ob Potsdam wirklich „fast eine Gebirgslandschaft ist“, wie es Landschaftsarchitektin Hiltrud Berndt ausdrückt, darüber kann man wohl streiten. Aber dass sich vom 88 Meter hohen Brauhausberg nicht nur der Blick auf die Stadt, sondern auch auf seine Geschichte lohnt, ist sicher. „Da wird einem fast schwindelig, so viel Wandel gab es schon auf diesem Berg“, sagt Berndt bei einer Führung der Potsdamer Urania am Dienstagnachmittag. Die 72-Jährige war viele Jahre lang eine der Planerinnen für Potsdams Grünflächen. Für die Führung, an der rund 20 Menschen teilnehmen, hat sie sich in Karten, Bücher, Dokumente vertieft.

Einst wurden auf dem Brauhausberg Rebstöcke gezogen. Der Kurfürstliche Weinberg bestand hier bis etwa 1700. Doch bald darauf machte der Wein Platz für das Bier. Schon 1716 wurde die Königsbrauerei errichtet, daher auch der Name. Auch später wurde hier noch einmal Bier gebraut. Die beiden Braumeister Adelung und Hoffmann hatten die Braukunst in Bayern gelernt, bevor sie ab 1829 die Potsdamer Stange, so hieß das Bier, hier fertigten. Aus dieser Zeit stamme auch der Eiskeller, berichtet Hiltrud Berndt: „Im Winter wurde das Eis in der Havel gesägt und dann die großen Blöcke über eine Rutsche in den Keller der Brauerei gebracht.“ Dort war es ausreichend kühl, sodass das Eis das ganze Jahr überdauern und zum Kühlen des Biers genutzt werden konnte.

Lange Jahre gehörte das Belvedere zum Antlitz des Berges

Zur Brauerei gehörte auch die Gaststätte Wackermanns Höhe mit großem Biergarten. „Von dort hatte man einen richtigen Werbeblick“, sagt Berndt. Heute wohnen in dem Gewölbe des Eiskellers Fledermäuse. Wo früher die Gaststätte war, stehen noch eingerüstet neue Häuser mit schicken Wohnungen. Auch daneben, wo man über einen mit Brennnesseln und Springkraut überwucherten Weg hinuntersteigen kann, sind mehrere neue Stadthäuser geplant.

Ein Gebäude, das das Antlitz des Berges über lange Jahre prägte, war das Belvedere. König Friedrich Wilhelm III. ließ es für die Königin Luise 1804 erbauen – daher auch der Name Luisenturm. „Hier defilierten die Herrschaften fein angezogen und wurden im Teezimmer empfangen“, erzählt Berndt. Der Turm wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt und dann in den 1950er Jahren abgerissen. Die Reste befinden sich heute auf dem Gelände der ehemaligen Kriegsschule.

Tausende Tonnen Sand und Erde mussten für eine ebene Fläche weichen

Deren Bau ab 1899 markierte, so Berndt, „einen Einschnitt in der Wahrnehmung dieses Berges als Aussichtspunkt“. Denn für die Bauarbeiten für den markanten Backsteinbau mit dem noch heute weithin sichtbaren Turm, sowie die angrenzenden Ställe und Reitanlagen mussten massive Eingriffe vorgenommen werden. Tausende Tonnen Sand und Erde wurden abgetragen, um eine ebene Fläche zu schaffen. „Für mich ist die Kriegsschule ein Todesstoß für den Berg in seiner eigentlichen Bedeutung“, sagt Berndt. Denn statt feiner Herrschaften defilierten nun die Soldaten hier. Als kleiner Ersatz, so die Interpretation von Berndt, wurde um 1900 der Aussichtspunkt mit dem Namen Kaiser-Wilhelm-Blick eingeweiht. Noch heute hat man hier eine wunderbare Aussicht auf die Nikolaikirche und die Innenstadt.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Schule aufgelöst und zunächst als Archiv genutzt. Später zog die SED-Kreisleitung Potsdam ein. Aus dieser Zeit stammt der Spitzname Kreml. Nach der politischen Wende zog der brandenburgische Landtag ein, der bis Ende 2013 dort tagte. Inzwischen ist das Areal an einen Investor verkauft, im ehemaligen Landtag ist derzeit eine Flüchtlingsunterkunft untergebracht. Die Pläne für ein großes Wohnungsbauprojekt in und um die bestehenden Gebäude wurden bereits vorgestellt.

Eine Seilbahn für den Brauhausberg

Der Brauhausberg scheint schon seit Jahrhunderten die Menschen zu teils irrwitzigen Projekten zu inspirieren. Fast wie ein roter Faden ziehen sich diese Ideen durch die Geschichte des Bergs. Ideen, von denen Entwürfe, Zeichnungen und Berechnungen erstellt wurden, die dann jedoch verworfen und nie umgesetzt wurden. So hatte beispielsweise Friedrich Wilhelm IV. vor, auf dem Gipfel des Bergs ein Schloss im Stil eines mittelalterlichen Klosters zu errichten, um so die göttliche über der weltlichen Macht zu symbolisieren. Umgesetzt wurde das nicht.

„Zu Kaiserzeiten hat ein privater Unternehmer einen ernsten Antrag gestellt, eine Seilbahn auf den Berg zu bauen“, erzählt Berndt. Der Plan scheiterte an den Befürchtungen von Wissenschaftlern, ihre Magnetmessungen könnten durch das Metall verfälscht werden. In der DDR-Zeit, aus der auch die heute leerstehende ehemalige Gaststätte Minsk und das kürzlich geschlossene Bad am Brauhausberg stammen, gab es die Idee, einen riesigen Demonstrationsplatz mit Tribüne zu errichten. Als zu aufwendig wurde der Plan verworfen.

Auch die jahrelangen Streitigkeiten um das neue Schwimmbad und den einst aus finanziellen Gründen beerdigten Entwurf des brasilianischen Stararchitekten Oscar Niemeyer könnte man hier einreihen. Für Berndt hat das Anfang Juni eröffnete Bad blu zumindest ein Gutes: „Über den Parkplatz bleibt der Blick zur Stadt frei.“ Und damit ist, trotz all der Baupläne und weitreichenden Veränderungen, die noch kommen werden, noch ein kleines Stück des Brauhausbergs als Aussichtspunkt auf Potsdam erhalten.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })