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Mag’s rockig. Lutz Trautwein holte schon viele Musiker nach Potsdam.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Abgeworben aus Bitterfeld

Lutz Trautwein hatte genug vom Tagebau und kam nach Potsdam. Seit zehn Jahren organisiert er die Oldienacht

Stand:

Seh’n wir uns nicht in dieser Welt, dann seh’n wir uns in Bitterfeld. Wenn es um seine Herkunft geht, holt Lutz Trautwein diesen Spruch hervor. Und erklärt: So hätten sich Reisende und Kaufleute auf dem Weg zur Messestadt Leipzig voneinander verabschiedet, weil sich bei Bitterfeld zwei große Handelsrouten kreuzten. Auch Lutz Trautwein hat seine Heimatstadt verlassen, dorthin fährt er nur noch, um seine Eltern zu besuchen. In diesem Jahr feiert der Eventmanager sein 35-jähriges Betriebsjubiläum in Potsdam, an Bitterfeld erinnert allerdings noch eine subtile Einfärbung seiner Sprache.

In der Stadt an der Havel kennt man den 58-Jährigen heute vor allem als Veranstalter der Internationalen Oldienacht. Am morgigen Samstag findet der gemütliche Rock ’n-Roll-Abend nun zum 26. Mal statt – im zehnten Jahr. „Rock meets Comedy“ ist das Motto der kommenden Nacht. „Es gab schon Rock meets Musical, Pop und Rock meets Bubble Gum“, sagt Trautwein. Manchmal könne selbst er sich anfangs wenig drunter vorstellen, aber dann waren es immer tolle Partys. Das hängt vor allem von den Akteuren ab: „Der Gerd Brummund hat eine ganz eigene Art, Welthits zu covern“, sagt Trautwein. Brummund, bekannt durch seine Top-40-Band und als Autor der Geschichten um die Kunstfigur Willi Freibier, verspricht diesesmal „Comedy, Oldies und weitere Songs“ – live im Konzertteil. Anschließend gibt’s vom DJ was auf die Ohren, und zur spätnächtlichen Party spielt die Band Beat Club all das, was von den 60ern bis in die 80er in den Hitparaden vertreten war.

Allerdings ist die Oldienacht umgezogen und findet nun in der Schinkelhalle in der Schiffbauergasse statt. Der Ortswechsel hatte nicht nur finanzielle Gründe. „In der Biosphäre fehlte ein wenig die Konzert-Atmosphäre“, sagt der Manager. Und die hohe Luftfeuchtigkeit, die aus dem Gewächshaus rüberschwappte, habe den Tänzern der Ü- 35-Besuchergruppe zu schaffen gemacht. „Naja, die meisten, die zur Oldienacht kommen, sind zwischen 40 und 60 Jahre alt“, sagt Trautwein. „Nach zwei, drei Tänzen in der schwülen Halle wird dann die Luft knapp.“ Da ist es gut, dass es in der Schinkelhalle nun ordentliche Tische und Stühle gibt, keine Bierzeltgarnituren wie in der Biosphäre. Diese Bänke waren zwar gut zum Schunkeln, aber eben nicht für seine Oldienacht.

Der Mann aus Bitterfeld, der dort in einem Tagebau Elektriker lernte, ist mit seinem Publikum gewachsen. Seine Lieblingsmusik, der Rock’n Roll großer, leidenschaftlicher Bands wie ZZ Top oder Creedence Clearwater Revival, gern auch Country-lastig, passt meist zur Zielgruppe. Gute Livemusik mit Gleichgesinnten zu hören, das ist das, was er anbieten möchte. 300 bis 600 Besucher kommen dafür zu den Oldienächten. „Die Leute sagen sich, der Trautwein wird schon was Vernünftiges einkaufen.“

Trautwein selbst spielt ein wenig Bass, Mundorgel und Mundharmonika, manchmal stellt er sich dazu und jammt ein bisschen mit, aber nie im Mittelpunkt. Hinter den Kulissen fühlt er sich wohler. Nach seiner Ausbildung zum Facharbeiter für Betriebsmess-, Steuerungs- und Regelungstechnik – ein Beruf, den es nur in der DDR gab – machte er zunächst in einem Bitterfelder Klubhaus Musik. Die Veranstaltungen zogen viele Besucher an und man wurde in der Republik auf ihn aufmerksam. „Dann kamen 1979 die Potsdamer und warben mich ab,“ sagt Trautwein. 1980 begann er als Manager des Blauhauses, das damals noch „Drushba“, Freundschaft, hieß, in der Heinrich- Mann-Allee. Er studierte in den 80er-Jahren Kulturwissenschaften, später, nach der Wende, Eventmanagement. Sein Englisch, sagt er, sei ganz passabel, für Verhandlungen mit internationalen Stars reicht es. Es macht ihn stolz, dass er schon Musiker wie Chris Norman, The Lords und Steppenwolf nach Potsdam geholt hat. „Ich hab viele Verbindungen zu den Managern und einen guten Leumund“, sagt Trautwein, vor allem, weil er seine Musiker immer pünktlich bezahle. Ansonsten schweigt er zu seinen Arbeitsmethoden. Nur so viel: Er sei letztlich derjenige, der Künstler und Publikum zusammenbringt. Zu den besten Bedingungen für alle Beteiligten.

Seit 1993 ist Trautwein mit seiner Agentur „Musik vom Planwagen“ selbstständig, organisierte im Blauhaus auch die legendären Dessous-Partys. Mit den heute üblichen Verkaufsveranstaltungen für Unterwäsche hatte das nichts zu tun. Damals habe er bei diesen „etwas anderen Bar-Diskotheken“ einfach dafür gesorgt, dass hinterm Tresen reizende Damen standen. „Diese Partys liefen richtig gut“, sagt er lächelnd. Dann beugt er sich nach vorn und sagt: „Das Blauhaus war ein schönes Haus – dass die das abreißen mussten!“ und haut mit der Faust auf die hölzerne Kaffeehaus-Sessellehne.

In letzter Zeit macht sich Trautwein Sorgen, ob er der zunehmenden Konkurrenz von öffentlich geförderten Einrichtungen gewachsen ist. Neben diesen Veranstaltern und Häusern fühlt er sich nicht gleichberechtigt im Kampf um Kunden und Besucher. Kurz vor einem Konzert wie der Oldienacht ist er nervös und schläft wenig, verzichtet aber auf Kaffee. Um sich zu entspannen, geht er wandern, „kraxeln“ nennt er es, mit einem Rucksack durch die Berge. Früher sei er ein leidenschaftlicher Motorradfahrer gewesen, sagt er, dafür fehlt ihm jetzt die Zeit.

Internationale Oldienacht am morgigen Samstag ab 19.30 Uhr in der Schinkelhalle. Der Eintritt kostet 26.90 Euro

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