Landeshauptstadt: Abschied ohne Bauchweh Chefin des Hauses der Begegnung geht in Rente
Gestern schon waren viele Räume im Haus der Begegnung für Antje Tannert gesperrt. Denn die Kollegen bereiteten den Abschied ihrer Chefin vor, die heute mit 63 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand geht.
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Gestern schon waren viele Räume im Haus der Begegnung für Antje Tannert gesperrt. Denn die Kollegen bereiteten den Abschied ihrer Chefin vor, die heute mit 63 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand geht. Zum feierlichen Termin am heutigen Mittwoch um 10 Uhr hat sich der Oberbürgermeister angekündigt. Und natürlich sind die Nutzer des Hauses eingeladen. Antje Tannert weiß schon in etwa, was sie ihnen zum Abschied sagen wird: „Kommen Sie weiterhin hierher, damit es ein lebendiges Haus bleibt.“ Das Haus der Begegnung sei heute von der Politik anerkannt und vergleichsweise sicher finanziert. „Ich gehe ohne Bauchschmerzen“, sagt Tannert.
Und sie gehe gern. Nach all der Zeit im sozialen Bereich habe sie sich entschieden, jetzt etwas für sich selbst zu tun. Vieles kam all die Jahre zu kurz, die Familie, die vielen Hobbys, der Garten. „Es klingt vielleicht etwas komisch, aber ich kann für mich sagen: Es reicht.“
Antje Tannert wurde 1953 in Potsdam geboren, studierte in Leipzig Lehramt Geschichte und Russisch. Sie arbeitete als Lehrerin und in anderen sozialen Bereichen. Nach der Wende baute sie die Mädchenzukunftswerkstatt in Teltow auf. „Die gibt es heute noch, darüber freue ich mich“, sagt sie. Aber irgendwann war es genug mit der Jugendarbeit. 2001 ging sie ans Haus der Begegnung, das damals in der Gutenbergstraße untergebracht war. Nach einem Jahr ging der Träger insolvent, nach weiteren vier Jahren konnte das Haus in neuer Trägerschaft des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in die Waldstadt umziehen. Natürlich sorgte sie sich – würde es dort funktionieren? Es sollte ja ein Haus für Menschen mit und ohne Behinderungen werden. Das Konzept funktionierte gut, weil es in der Waldstadt bisher keinen Bürgertreff gab. Es kamen die ganz normalen Waldstädter, natürlich überwiegend ältere; dazu Gäste mit Behinderungen aus dem ganzen Stadtgebiet und Umland – darunter viele jüngere. Einerseits findet Tannert es gut, dass sie kommen. Andererseits wünscht sie sich, dass sie – statt hier ihre Freizeit zu verbringen – Arbeit finden. „Die brauchen, wie andere Menschen auch, eine Chance auf dem Arbeitsmarkt“, sagt sie.
Das Haus in der Straße zum Teufelssee ist Treffpunkt für Gesprächskreise, hier finden Workshops statt, es wird Sport, Musik und Kunst gemacht und ausgestellt. Es finden Weiterbildungen statt, es wird gefeiert. Am heutigen Tag ganz besonders. Es ist Tannerts letzter Arbeitstag. Sie will künftig nur noch den Fotoworkshop leiten. „Fotografieren ist mein Hobby.“ Weitere Besuche in der Waldstadt hat sie nicht geplant. „Das ist der Nachfolgerin gegenüber nicht fair. Sie muss ihren eigenen Weg finden und gehen können“, sagt Tannert. Sozialarbeiterin Antoinette Fuchs ist 40 Jahre alt und übernimmt das Haus gut eingearbeitet. „Ich bin durchaus ein bisschen neugierig, wie sie hier alles machen wird“, sagt Tannert. Diese Offenheit, dieses Zuhören und Schauen ohne vorschnell zu urteilen, das ist typisch Tannert. Steffi Pyanoe
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