Links und rechts der Langen Brücke: Abstruses Nicht-System
Sabine Schicketanz kann das Potsdamer Kita-Platz-Chaos nur mit Unverständnis quittieren – und hofft auf schnelle Besserung
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Die kinderfreundlichste Stadt Deutschlands hat Nachholbedarf: beim Management ihrer Kindertagesstätten-Plätze. Denn Eltern, die in Potsdam einen Kita-Platz suchen, haben es mitnichten leicht. In vielen Stadtteilen sind die Kitas voll, geraten wird von „erfahrenen“ Müttern und Vätern dazu, das Kind möglichst schon für einen Platz anzumelden, bevor es auf die Welt kommt – und dies zur Sicherheit nicht bei einer, sondern bei mehreren Kitas. Das ist, so deutlich muss es gesagt werden, abstrus. Und für viele Neu-Bürger, die mit hohen Erwartungen an das im „Familienatlas 2007“ des Bundesfamilienministeriums und des Sozialforschungsinstituts Prognos zur „kinderfreundlichsten Stadt“ gekürte Potsdam ziehen, eine Enttäuschung. Ewig lange Wartelisten stellen die Eltern außerdem vor ganz praktische Probleme – es fehlt schließlich nicht weniger als die Kinderbetreuung.
Kein Wunder, dass es sich für viele Betroffene da wie blanker Hohn anhört, wenn Potsdams Jugendamtsleiter nun davon spricht, dass es nur einen „scheinbaren“ Kita-Platz-Mangel gebe. Denn dieser existiert in der Lebensrealität der platzsuchenden Eltern sehr greifbar – und der Jugendamtsleiter kann seine Aussage bisher auch nicht beweisen. Denn bisher, und hier liegt das erste Problem, wurde der Bedarf an Kita-Plätzen von der Stadtverwaltung nicht errechnet. Das ist schlicht nicht nachvollziehbar: Verlässliche Zahlen, soweit es die Statistik erlaubt, sind schließlich die Basis für eine effektive Kita-Planung. Die entsprechenden Zahlen allerdings lässt das Jugendamt erst jetzt erstellen – man tappt also so ziemlich im Dunkeln. Und das, wie es scheint, völlig unnötig. Die Ungewissheit, wie viele Eltern ihre Kinder tatsächlich in Kitas betreuen lassen wollen, entsteht nämlich vor allem durch das unübersichtliche und unkoordinierte Anmeldesystem – das den Begriff System eigentlich kaum verdient. Eine zentrale Erfassung gibt es nicht, den Eltern bleibt wenig, als ihre Kinder „zur Sicherheit“ einfach bei mehreren Einrichtungen anzumelden, was natürlich zu langen Wartelisten führt. Wie lang die Listen wären, wenn jeder Bewerber nur einmal auftauchte – das weiß offensichtlich niemand. Die Stadtverwaltung sollte diesen unhaltbaren Zustand schleunigst beenden und für ein organisiertes und transparentes Anmeldeverfahren sorgen. Dass die Verwaltung dies koordinieren muss, scheint nunmehr klar – auch wenn sich längst alle Kitas der Stadt in freier Trägerschaft befinden. Das ist nicht nur eine Formalie, die einigen wenigen dient – denn von tatsächlich familienfreundlichen Strukturen wird abhängen, ob Potsdam seinem ihm bundesweit vorauseilenden Ruf als „kinderfreundlichste Stadt“ der Republik gerecht werden kann. Unter diesem Gesichtspunkt ist es bereits beachtlich, dass das Kita-Platz-Problem erst jetzt angegangen wird. Nun ist es umso dringlicher – natürlich der Eltern und Kinder wegen, aber auch, weil Brandenburgs Landeshauptstadt einen Ruf zu verlieren hat.
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