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Von Bernd Kluge: Adonisröschen in Gefahr
Naturschutzschäferin Katrin Todt pflegt mit ihren Tieren die seltenen Trockenrasenflächen an der Oder
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Lebus - Der Anblick grasender Schafe und Ziegen an dem steilen Hang an der Oder verblüfft viele Spaziergänger. Erinnert die Szenerie an dem Fluss zwischen Frankfurt (Oder) und Lebus doch eher an alpine Bergidylle als an das Flächenland Brandenburg. Aber gerade den Schafen und Ziegen ist es zu verdanken, dass die in Deutschland seltenen Trockenrasenflächen kurz gehalten werden und damit die bekannten Adonisröschen-Hänge an der Oder in jedem Jahr wieder ihre beeindruckenden goldgelben Blütenteppiche ausbilden können.
„Durch das Abschälen der Rinde, das Verbeißen oder Herunterbrechen der Triebe sorgen die Tiere seit Jahrhunderten dafür, dass die trockenwarmen Oderhänge nicht mit Bäumen und Büschen zuwachsen“, sagt Schäferin Katrin Todt. Denn wenn der Mensch die Natur machen ließe, wie sie will, stünde binnen kurzer Zeit auf Heide- und Trockenrasenflächen wie fast überall in Mitteleuropa Wald. „Wertvolle Pflanzen, die teilweise deutschlandweit nur hier vorkommen, würden dadurch verdrängt - auch die Adonisröschen“, macht die Schäferin deutlich.
Todt gehört eine Herde aus 120 Mutterschafen, elf Ziegen und drei Eseln. Die 45-Jährige mit dem weit ins Gesicht gezogenen, breitkrempigen Hut nennt sich Naturschutzschäferin, weil sie mit ihren Tieren in drei europäischen Naturschutzgebieten entlang der Oder unterwegs ist, um die Kulturlandschaft dieser Trockenrasenflächen zu erhalten.
Bewusst hat sich die gebürtige Sächsin für zwei Schafrassen entschieden - die aus Ostpreußen stammenden Skudden und die Rauwolligen Pommerschen Landschafe. Diese Nutztierrassen sind einerseits vom Aussterben bedroht, andererseits sehr genügsam, was sie bei dem kargen Nahrungsangebot auf den Hang-Weiden auch sein müssen.
Hauptberuflich ist Todt im Brandenburger Landesumweltamt tätig, die Schäferei betreibt die studierte Landwirtin und Ökologin seit vier Jahren im Nebenerwerb. „Leben kann man davon nicht. Dazu ist der Aufwand zu hoch und die gepachteten Flächen zu klein, um sie wirtschaftlich zu pflegen“, sagt Todt, die zweimal täglich bei Wind und Wetter nach ihren Tiere schaut.
Die Herde wird in festen Weidekoppeln gehalten, die dann Stück für Stück umgesetzt werden, bis die komplette Fläche abgegrast ist. Per Viehhänger geht es dann von einem Naturschutzgebiet ins nächste. Auf insgesamt 19 Hektar - in den Lebuser Oderbergen, in der Priesterschlucht bei Wuhden und am Zeisigberg nahe Reitwein - pflegt Todt auf diese Weise die Landschaft, bekommt dafür Zuschüsse aus den europäischen Agrarförderprogrammen. Die sind ihrer Ansicht nach allerdings zu gering.
Es sei daher nicht verwunderlich, dass sich die brandenburgischen Trockenrasenflächen meist „in katastrophalen Erhaltungszuständen“ befinden, sagt Todt. Zu diesen Konditionen sei niemand mehr bereit, sie zu pflegen. Die Schäferin aus Hohenjesar kennt eigenen Angaben zufolge mehrere Beispiele dafür allein in der Uckermark. Sie selbst will ihren Betrieb nur noch in der laufenden Agrarförderperiode weiterführen und danach abmelden.
„Letztlich ist die Finanzierung wirklich eine politische Entscheidung. Gebraucht werden längerfristige Perspektiven“, sagt Thilo Heinken. Gemeinsam mit Biologie-Studenten ist der Dozent der Universität Potsdam derzeit auf Todts Weide unterwegs, um die Wolle der Tiere genauer zu untersuchen.
„Schafe spielen eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Pflanzen, weil sie Samen, Moose und Flechten in ihrer Wolle tragen“, sagt er.
Neben der ihrer Auffassung nach unzureichenden Finanzierung ärgert sich Schäferin Todt auch über das fehlende Engagement in der Region.
Sie resümiert: „Alle möglichen Tourismusanbieter wollen von den Adonisröschen leben, jedoch keiner etwas dafür tun“.
Bernd Kluge
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