Potsdamer als Hilfslehrer in Tansania: Afrikanisches Einmaleins
Der Potsdamer Johannes Hooss verbringt ein Jahr als Hilfslehrer in Tansania. In der ostafrikanischen Kleinstadt Bagamoyo fühlt er sich immer noch pudelwohl.
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An manchen Abenden wünsche er sich schon, einfach mal wieder eine Wurststulle zu essen, sagt Johannes Hooss: „Der Reis und Ugali, ein Maisbrei, schmecken einfach immer gleich. Nach sechs Monaten konnte ich es nicht mehr sehen.“ Abgesehen von solchen kleinen Defiziten fühlt sich der 19-jährige Potsdamer aber pudelwohl in der ostafrikanischen Kleinstadt Bagamoyo. Nach dem Abitur ist er im August 2014 für ein Jahr als Hilfslehrer nach Tansania gegangen und hält seine Erlebnisse seitdem in einem öffentlichen Blog fest.
Seine Eltern seien nicht sonderlich geschockt von seinen Reiseplänen gewesen, sagt Hooss, seine Freunde schon eher: „Ich habe aber viel Zuspruch und Respekt von ihnen erhalten.“ Der Entschluss, ins Ausland zu gehen, stand schon lange fest: Ursprünglich wollte Hooss nach Kanada, entschied sich dann aber doch für Tansania, da ihn das Schulprojekt seiner Entsendeorganisation „Artefact“ dort überzeugt hatte. Er habe schon oft Nachhilfe gegeben und wollte gerne mit Kindern arbeiten, sagt Hooss: „Mich hat auch das große Unbekannte gereizt, das Leben in Ostafrika.“ Gefördert wurde sein Aufenthalt über das Programm „Weltwärts“ des Bundeswirtschaftsministeriums.
Crashkurs in Swahili
Nach der 17-stündigen Anreise verbrachte Hooss einige Tage in einer alten christlichen Missionsstätte und bekam erst mal einen Crashkurs in Swahili, um sich angemessen verständigen zu können. Auch Verhaltensregeln wie Begrüßungsformeln – besonders älteren Personen gegenüber – wurden von den Betreuern vermittelt, ebenso der Hinweis, dass es in Schulen leider immer noch gang und gäbe ist, dass Kinder mit dem Stock geschlagen werden, und dass Hooss in solchen Fällen nicht eingreifen dürfe: „In meiner Schule passiert das aber wenig, die Lehrer hier sind wirklich gut.“
Hauptsächlich unterrichtet Hooss Mathe für die zweite und dritte Klasse und bringt den Schülern Multiplizieren und Dividieren bei. Dazu verwendete er Übungen, die er selbst noch aus der Grundschule kennt: Multiplikationstabellen, die Aufgaben gemeinsam singen, um sie besser einzuprägen, und Einmaleins-Bankrutschen. „Das funktioniert erstaunlich gut!“, schreibt er in seinem Blog. Die Kinder waren natürlich sehr neugierig auf ihren neuen Lehrer: „Sie haben mir tausend Fragen gestellt, zum Beispiel was wir in Deutschland essen oder welche Filme ich kenne.“
Tee zur Malaria-Vorbeugung
Untergebracht ist Hooss in einem eigenen Haus in Bagamoyo, der ehemaligen Hauptstadt der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Morgens steht er meist um 6.30 Uhr auf und kocht drei Liter Wasser ab, von dem er sich auch Artemisia-Tee zur Malaria-Vorbeugung macht. Einen Gecko in seiner Küche habe er „Flanky“ getauft. In Bagamoyo sei es sehr sicher, sagt Hooss, die streng muslimische Bevölkerung sei sehr gottesfürchtig und daher gebe es wenig Diebstähle oder andere Verbrechen: „Die Kriminellen sind eher Christen.“
In Daressalam, der Hauptstadt Tansanias, sieht es etwas anders aus: Nach einem Empfang in der Deutschen Botschaft fuhr Hooss zusammen mit anderen „Weltwärts“-Helfern auf dem Motorrad nachts wieder nach Hause. Nach gerade mal 200 Metern kamen an einer Kreuzung plötzlich elf Männer mit Macheten aus dem Gebüsch, rissen sie vom Motorrad und raubten sie aus. Hooss wurden nur das Handy und die Schlüssel abgenommen, seine Geldbörse übersahen die Räuber. „Niklas hatte weniger Glück. Er wurde ins Gebüsch gezogen, komplett festgemacht und gewürgt, dann einfach durchsucht und schließlich leer wieder rausgelassen“, schreibt Hooss in seinem Blog.
So gut wie jeder Helfer wurde überfallen
Von den Ordnungshütern konnten die beiden nicht viel erwarten: „Die Polizei hier kann man vergessen“, winkt Hooss ab. „Ein ziemlich korrupter Haufen.“ Nach seinem Erlebnis erfuhr er, dass so gut wie jeder Freiwilligen-Helfer aus dem Ausland schon einmal überfallen wurde. „Mittlerweile bin ich vorsichtiger“, so Hooss.
In Bagamoyo hingegen ist es kein Problem, abends in Clubs zu gehen oder in Kneipen Champions League zu schauen. Langweilig wird es Hooss nicht: Am Nachmittag spielt er mit den Kindern Fußball oder unternimmt Wanderungen in die Berge. Einmal habe er auch einen Ausflug nach Ruanda gemacht, wo die Folgen des Völkermordes von 1994 noch sehr präsent seien. Das habe ihn extrem geflasht und mitgenommen.
In Tansania toleranter geworden
Immer sonntags telefoniert Hooss mit seinen Eltern, mit seinen Freunden hält er über Whatsapp Kontakt: „Das Mobilfunknetz hier ist sehr gut.“ Um den Schülern zu zeigen, was man in Deutschland oder der Schweiz so isst, habe er einmal einen riesigen Topf Käsespätzle gemacht: Da ihm kein Spätzle-Sieb zur Verfügung stand, baute Hooss sich selber eines, indem er Löcher in eine alte Schüssel brannte. „Das war etwas komplett Neues für die, sie haben sich total gefreut.“ Ebenfalls gefreut haben sich die Schüler auch über die Kugelschreiber, welche Hooss' Großmutter ihm per Post zugesendet hatte.
Für Hooss war sein Aufenthalt in Tansania eine sehr positive Erfahrung: Er hat hier nicht nur Motorradfahren und eine neue Sprache gelernt, sondern sei auch deutlich selbstbewusster geworden: „Jeden Tag gibt es irgendwelche Probleme – man muss auf die Leute zugehen und das regeln.“ Sein gesamtes Weltbild habe sich in den letzten Monaten erweitert und verändert: „Ich bin deutlich toleranter geworden.“ In wenigen Monaten geht es für Hooss dann wieder zurück in die Heimat nach Potsdam – zurück zu Familie, Freunden und der einen oder anderen Wurststulle.
Zum Nachlesen: Johannes Hooss' Blog >>
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