Etwas HELLA: Alle meine treuen Wegbegleiter
Wer behauptet, der Bundestagswahlkampf war diesmal besonders langweilig, hat auf keinen Fall recht. Ich meine nicht das Kanzlerduell, da konnte man getrost auf einen echten Krimi umschalten.
Stand:
Wer behauptet, der Bundestagswahlkampf war diesmal besonders langweilig, hat auf keinen Fall recht. Ich meine nicht das Kanzlerduell, da konnte man getrost auf einen echten Krimi umschalten. Äußerst spannend finde ich dagegen die Weggefährten auf meinem täglichen Trip nach Hause. Selbst wenn es mal spät wird, muss ich mich nicht mehr auf einsamen Strecken graulen. Ich habe noch bis zum Wahltag und einige Zeit danach geistige Anregung. Zum Beispiel mache ich mir Gedanken darüber, warum der älteren Dame quer über die Stirn „Für faire Mieten“ gedruckt wurde. Bietet sie sich als Leih-Oma an? Auch der Spruch „Meine Mudda wird Chef und Du?“ bringt mich ins Grübeln. Erstens würde ich – wo bleibt die Genderkorrektheit – nur Chefin werden wollen, wenn ich denn wollte, und zweitens: Was soll das Geduze? Ich biete das Du nur Leuten an, die ich liebe und schätze, aber doch nicht einem berlinernden Knirps. Da finde ich den Spruch „Jeder nach seiner Façon“ schon besser. Weltoffen. Nichtssagend. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Für die Antwort auf den Spruch „Stell Dir vor Du wirst gefragt...“ Bin ich extra vom Fahrrad gestiegen. Das Kleingedruckte war in voller Fahrt unleserlich. Ich hätte auch draufbleiben können. Die Antwort lautet: „Für mehr Mitbestimmung und Teilhabe“. Na, da hatte ich aber meinen Teil abgekriegt. Kennen Sie noch den Slogan der Flower-Power-Bewegung: „Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“? Das waren noch Ansagen. Aber sie haben leider auch nicht geklappt. Konkret wird nur eine Partei mit Rentenversprechen von 1500 Euro und „Miete und Energie bezahlbar für alle“. Schade, dass man ihr aus ganz anderen Gründen nicht so recht glauben will. Denn wer soll das bezahlen, haben die denn so viel Geld? Ganz ehrlich ist dagegen die hübsche Kleine, die fragt: „Warum hänge ich eigentlich hier?“. Ich wollte schon meinen Stift zücken und drunterschreiben: Mädchen, wenn du es nichts weißt, ich auch nicht. Aber die Bundestagskandidatin war für mich unerreichbar – hoch am Laternenpfahl angebracht. Wobei, der Feind lauert überall. Der Sozialismus hatte deren vier, nämlich Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die Wahlplakate haben zwei und die heißen Wind und Wetter. Deshalb liegen manche Kämpfer für Recht und Gerechtigkeit schon ziemlich geknickt am Boden. Wenn Sie nun allerdings vermuten, dass ich bei all dem Sarkasmus vielleicht ein Nichtwähler bin, da haben Sie sich erneut geirrt. Natürlich gebe ich meine Stimme ab. Schließlich will ich mich nach der Wahl mit Fug und Recht darüber aufregen können, dass die da oben wieder mal alles falsch machen.
Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam.
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