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Homepage: Allein das Schlachtfeld interessiert schon lange nicht mehr Militärhistoriker diskutieren in Potsdam über Perspektiven ihres Faches

Harte Worte zum 50-jährigen Jubiläum des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) in Potsdam. Der Historiker Bernd Wegner sprach am Montag von allzu zurückhaltender Interpretation bei vorbildlicher Auswertung von Fakten durch die Mitarbeiter in der Villa Ingenheim in der Zeppelinstraße.

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Harte Worte zum 50-jährigen Jubiläum des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) in Potsdam. Der Historiker Bernd Wegner sprach am Montag von allzu zurückhaltender Interpretation bei vorbildlicher Auswertung von Fakten durch die Mitarbeiter in der Villa Ingenheim in der Zeppelinstraße. Er sprach von einer zu starken Beschränkung auf die Zeitgeschichte und mahnte den Sprachgebrauch in den Veröffentlichungen des MGFA an, der sehr „amtlich“ klinge und dazu führen könnte, dass der Eindruck entsteht, hier werde nur „militärisches Darstellungsbeamtentum“ betrieben.

50 Jahre Militärgeschichtliches Forschungsamt – Grund genug, die 48. Internationale Tagung für Militärgeschichte, die am Montag im Kongresshotel eröffnet wurde, zu nutzen, um darüber nachzudenken, wo die Zukunft dieses Faches liegen könnte. Bis Donnerstag werden Historiker unter anderem aus Deutschland, Frankreich und den USA über „Perspektiven der Militärgeschichte, Raum, Gewalt und Repräsentation in historischer Forschung und Bildung“ diskutieren. Bei der Eröffnungsveranstaltung am Montag ging es um die „Militärgeschichte in der west- und ostdeutschen Historiographie nach 1945“. Zwar war im Programm der Vortrag „Militärgeschichte in Ost- und Westdeutschland“ von Klaus Maier angekündigt, der dann kommentarlos entfiel. Darum blieb der Schwerpunkt bis auf einige Bemerkungen am Rande doch nur auf die westliche Perspektive beschränkt.

In seinem Vortrag sprach Bruno Thoß, Leitender Wissenschaftlicher Direktor am MGFA, über die Geschichte des Amtes, das als „Militärgeschichtliche Forschungsstelle“ am 1. Januar 1957 in Langenau bei Ulm ins Leben gerufen wurde und in den Anfangsjahren vor allem um seine wissenschaftliche und öffentliche Anerkennung bemüht war. Gerade weil es sich nicht um ein Institut, sondern um eine Dienststelle der Bundeswehr handelt, wurde die Arbeit der Militärhistoriker von den Kollegen an den Universitäten kritisch beäugt. Das Misstrauen war groß, dass hier wieder nur klassische Forschung im Sinne der Militärs und beschränkt auf das Schlachtfeld betrieben würde. Trotz des bis heute bestehenden Konfliktes innerhalb des MGFA, auf der einen Seite geschichtswissenschaftliche Forschung zu betreiben und auf der anderen die politische Bildung und Vorbereitung der Soldaten auf Auslandseinsätze zu gewährleisten, sei es gelungen, Militärgeschichte als seriösen Forschungszweig zu etablieren, der auf sämtliche Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausstrahlt.

Gerade in der Doppelaufgabe des MGFA – Forschung und Ausbildung der Soldaten – sieht Bernd Wegner eine Gefahr. Denn für die Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Forschung sei Unabhängigkeit unabdingbar. Vor allem durch die Aufgabe der Soldatenausbildung werde die Arbeit am MGFA nach seinem Nutzen und der unmittelbaren Verwertbarkeit beurteilt, durch die die Unabhängigkeit in Frage gestellt werden könne.

In der anschließenden Diskussion wurde Wegner auch in diesem Punkt widersprochen. Gerade in der Auseinandersetzung mit aktuell-politischen Problemen wie Auslandseinsätzen liege ein nicht zu unterschätzendes Potenzial, dass die Militärgeschichte auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gemacht werden könne. Denn wie sich am Montag im Kongresshotel zeigte, sind solche Diskussionen über Perspektiven und Möglichkeiten auch nach 50 Jahren noch immer Diskussionen von und für Experten.

„Für wen schreiben wir eigentlich“, wurde gefragt und dabei auf das Phänomen der pseudowissenschaftlichen Literatur über militärische Ereignisse hingewiesen, die oft Auflagenzahlen erreicht, von denen Militärhistoriker nur träumen. Wie Bruno Thoß sagte, könne es aber nicht darum gehen, so viele Leser wie möglich zu erreichen, sondern mit wissenschaftlichem Ansatz ein kritisches Leseverhalten herauszubilden. Dabei wird sich wohl niemand der Illusion hingeben, egal welche Perspektiven sich der Militärgeschichte in Zukunft auch bieten, dass Veröffentlichungen aus dem MGFA irgendwann die Bestsellerlisten anführen werden.

Dirk Becker

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