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Technikaffine Pionierinnen. Rehab Alnemr (l.) und Ivonne Scherfenberg sind die ersten Doktorinnen des Instituts für Softwaresystemtechnik.

© Manfred Thomas

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Am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut haben in diesem Jahr die ersten Doktorinnen promoviert

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Vor 258 Jahren erschütterte eine Frau die akademische Welt in ihren Grundfesten. Denn sie tat etwas, das bis dahin in Deutschland für eine Frau als unmöglich galt. Sie promovierte. Ihren Doktortitel musste sich Dorothea Erxleben hart erkämpfen. Was damals, im Jahr 1754, ungeheuer hohe Wellen schlug, ist heute alltäglich. Auch für Rehab Alnemr und Ivonne Scherfenberg ist die Promotion kein gesellschaftlicher Meilenstein, sondern ein wichtiger und logischer Schritt auf der persönlichen Karriereleiter. Dennoch schwingt auch bei den beiden Berlinerinnen ein Hauch von Dorothea Erxleben mit. Denn sie sind die ersten beiden Frauen, die am Potsdamer Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik (HPI) promoviert haben. Immerhin sind seit Gründung des Instituts zwölf Jahre vergangen, in denen 51 Wissenschaftler den Doktortitel erhielten – allesamt Männer. Immerhin gab es in dieser Zeit auch die Habilitation einer Nachwuchswissenschaftlerin.

„Als ich mit meinem Studium am HPI begann, waren unter den 80 Studierenden meines Jahrgangs drei Frauen“, erinnert sich Ivonne Scherfenberg an das Jahr 2000. Schließlich war sie die einzige Frau ihres Jahrgangs, die den Bachelor-Abschluss schaffte und ein Masterstudium anschloss. In der nachfolgenden Promotion forschte sie zum Identitätsmanagement im Internet. Die Ägypterin Rehab Alnemr hat an der Universität Kairo ähnliche Erfahrungen gemacht: Von den 80 Studierenden dort waren vier weiblich. Vor fünf Jahren kam sie ans HPI, um zu promovieren.

Dass sie sich als Internet-Expertinnen in einer Männer-Domäne bewegen, tragen die beiden Doktorinnen nicht vor sich her, dennoch ist ihnen ihre Sonderstellung bewusst. „Wir sind schon glücklich darüber, in gewisser Weise Pionierinnen zu sein“, sagt Alnemr, die in ihrer Dissertation erforschte, wie Vertrauensbildung im Internet funktioniert. Es sei ihr wichtig, zu zeigen, dass Wissenschaftlerinnen auch in der Informatik erfolgreich sein können, erklärt die 31-Jährige.

Nach wie vor scheint ein Studium im Bereich der Informatik für Frauen wenig attraktiv zu sein. Für das derzeitige Wintersemester hatten sich 243 Abiturienten am HPI beworben, darunter nur 31 Frauen. „Ich finde es traurig, dass so wenige Frauen ein IT-Studium beginnen“, so Scherfenberg. Eine Erklärung dafür hat auch sie nicht. Auch HPI-Sprecher Hans-Joachim Allgaier sagt, dass die nach wie vor niedrige Zahl weiblicher Bewerber das Institut schmerze. Die Leistung sei bei den Studentinnen hoch, betont er. „Frauen, die den Weg zu uns gefunden haben und ein Studium beginnen, sind sehr motiviert und begabt. Sie zählen oft zu den Besten ihres Jahrgangs“, berichtet Allgaier. Um den weiblichen Nachwuchs zu ermutigen, ist das HPI beim jährlichen Girls Day präsent, führt 14-tägig ein Schülerkolleg durch und bietet Projekttage für Schulen sowie ganze Camps an. „Wir versuchen immer zu vermitteln, dass Informatik spannend und attraktiv ist“, sagt Allgaier.

Rehab Alnemr ist überzeugt, dass das Hauptproblem die Klischees sind. Die Ansicht, dass Informatik zu schwer für Frauen sei und eher dem Denken von Männern entspreche, sei weithin verbreitet. „Das ist Unsinn“, findet die Wissenschaftlerin. Als Studentin in Kairo sammelte sie unterschiedliche Erfahrungen. „Ich hatte Professoren, die völlig unvoreingenommen waren und Frauen unterstützten. Ich hatte aber auch Professoren, die uns spüren ließen, dass sie Frauen das Studium nicht zutrauten und die keinerlei Mühen auf uns verwendeten“, erzählt Rehab Alnemr. „Am HPI haben wir hingegen eine sehr ermutigende und kooperative Umgebung“, betont sie.

Unter Verwandten und Freunden ist die Begeisterung für Technik und Informatik der beiden Wissenschaftlerinnen keine Besonderheit mehr. „Meine Familie ist sehr technikaffin“, erzählt Ivonne Scherfenberg. Früh schon bekam sie den ersten Computer, spielte gemeinsam mit ihrer Schwester die ersten Computerspiele und begann sich zu fragen, was dahinter steckt. Wie ihre ägyptische Wissenschaftskollegin begann sie bereits im Teenager-Alter, Programme zu erkunden und zu verändern und ihren Computer auseinanderzunehmen. „Bei mir waren es Science-Fiction-Filme“, erzählt Rehab Alnemr mit einem Schmunzeln im Gesicht. „Ich war so fasziniert von diesen Filmen, dass ich unbedingt Wissenschaftlerin werden wollte, um mit künstlicher Intelligenz die Welt zu verändern.“

Jenseits des Familien- und Freundeskreises spüren die beiden IT-Expertinnen dennoch, dass sie mit ihrer wissenschaftlichen Laufbahn im Bereich der Internettechnologien und -systeme einen gewissen Exotenstatus haben. Gerade die Ägypterin Rehab Alnemr, die ein Kopftuch trägt, erntet manchmal ungläubige Blicke, wenn sie von ihrem Beruf erzählt. „Ich mache mir aber nichts daraus“, sagt sie lachend.

Aktuelle Studierendenzahlen stimmen vorsichtig optimistisch, dass in den nächsten Jahren mehr Frauen den Schritt an das Potsdamer Institut für Softwaresystemtechnik wagen werden. Derzeit liegt der Frauenanteil unter den Studienanfängern bei 19 Prozent. Auch die Zahl der promovierten Frauen dürfte demnächst steigen. Derzeit sind 120 Doktoranden am HPI tätig, 14 von ihnen sind Frauen.

Heike Kampe

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