Sport: „Alles geholt, was es zu gewinnen gab“
Bernd Schröder, Trainer des 1. FFC Turbine Potsdam: Wir suchen noch eine Abwehrspielerin
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Bernd Schröder, Trainer des 1. FFC Turbine Potsdam: Wir suchen noch eine Abwehrspielerin Der Deutsche Frauenfußball-Meister 1. FFC Turbine Potsdam tanzt in dieser Saison immer noch auf drei Hochzeiten: sowohl im Titelkampf als auch im DFB-Pokal und im UEFA Women’s Cup können sich die Potsdamerinnen weiter Hoffnungen machen. Trainiert werden sie vom Begründer des Turbine-Frauenfußballs, Bernd Schröder (62). Mit welchen Gefühlen werden Sie Weihnachten auf das Jahr 2004 zurückblicken? Mit sehr guten natürlich. 2004 war sowohl für unseren Verein als auch für unsere Bundesliga-Mannschaft das bisher erfolgreichste Jahr überhaupt. Das wird in nächster Zeit nur noch schwer zu toppen sein. Wir waren 2004 der erfolgreichste Frauenfußballclub Deutschlands und haben alles nach Potsdam geholt, was es zu gewinnen gab: Hallenpokal, DFB-Pokal, Meistertitel und die Meisterschaft bei den B-Juniorinnen – mehr geht nicht. Und wir wurden zum dritten Mal in Folge populärste Mannschaft des Jahres im Land Brandenburg. Auch das ist für mich sehr wichtig, weil uns dieser Erfolg im Wettstreit mit Olympiasiegern und Weltmeistern gelang. Was ich zugleich als Verpflichtung betrachte, diesem Titel gerecht zu werden. In der aktuellen Bundesliga-Tabelle liegt Ihre Mannschaft derzeit – mit weniger Spielen als die Konkurrenz – auf Tabellenplatz drei. Wir wussten von vornherein, dass es unwahrscheinlich schwer werden wird, in dieser Saison in den Punktspielrhythmus zu kommen; es hätte uns noch schlimmer treffen können. Insofern sind – falls wir unsere Nachholespiele gewinnen können – drei Punkte Rückstand auf den FFC Frankfurt nicht unnormal. Nach unten hin, also ab Platz vier, sind die Abstände schon wieder so groß, dass sich erneut eine Zwei- oder sogar Drei-Klassen-Gesellschaft abzeichnet. Wir sind bis auf die 2:5-Heimniederlage gegen den FFC Frankfurt, bei der wir unter unseren Möglichkeiten spielten, mit der bisherigen Saison zufrieden. Welches Meisterschaftsspiel hat Sie am meisten erfreut, welches am meisten geärgert? Am meisten imponierte mir unser 5:0- Heimsieg über den FCR Duisburg, der mit sehr guten Spielerinnen und Riesen- Vorschusslorbeer nach Potsdam kam und von uns hier klar ausgespielt wurde. Da hat meine Mannschaft wirklich Charakter gezeigt. Am meisten enttäuscht war ich vom schon erwähnten Heimspiel gegen den FFC Frankfurt. Weniger wegen der Niederlage, sondern wegen der Art und Weise, wie wir uns dabei präsentierten. Alle anderen Spiele verliefen so, wie wir es uns vorstellten. Mit Meisterschaft, DFB-Pokal und UEFA-Cup haben Ihre Spielerinnen in dieser Saison ein für sie noch ungewohntes sehr hartes Programm zu absolvieren. Wir hatten anfangs große Sorgen, dass wir Probleme mit diesem harten Programm bekommen könnten, weil unsere zahlreichen Nationalspielerinnen durch die Olympischen Spiele und die U19- Weltmeisterschaft noch zusätzlich belastet wurden. Jetzt am Ende des Jahres merkte man auch schon, dass die Spielerinnen kaum Pause hatten. Letztlich haben sie diese Belastungen aber sehr gut weggesteckt. Worauf führen Sie das zurück? Zum einen hatten wir Glück, dass sich niemand verletzte, was im Training, im Spiel oder bei Auswahl-Lehrgängen immer passieren kann. Aber wir hatten unsere Nationalspielerinnen auch gut vorbereitet und haben ihnen, wenn sie bei uns im Verein waren, die Gelegenheit gegeben, durch eine gute Analyse des körperlichen Zustands körperliche Defizite abzubauen. Das hat sich erst jetzt beim Lehrgang des Perspektivteams U19/U21 in Heusenstamm wieder gezeigt. Unsere Spielerinnen sind gut vorbereitet dorthin gefahren, und unsere Torhüterin Stephanie Ullrich hat dort sogar eine Wette gegen Nationaltrainerin Tina Theune-Meyer gewonnen, weil sie im Ausdauerbereich besser war, als die Trainerin angenommen hatte. Wie lange können Ihre Spielerinnen jetzt ihre Winterpause genießen? Trainingsauftakt für die weitere Saison ist am 5. Januar. Gleich am darauffolgenden Wochenende werden wir uns in Bielefeld-Jöllenbeck am internationalen Hallenturnier beteiligen, das von Insidern als das am stärksten besetzte in Europa angesehen wird und in dem wir Anfang dieses Jahres den zweiten Platz belegten. Und am 22. Januar steht der DFB-Hallenpokal auf dem Programm. Anschließend werden wir uns knüppelhart und akribisch auf die weitere Saison vorbereiten, die alles von uns abverlangen wird. Wir haben nur wenig Zeit dafür, denn wir müssen im Gegensatz zu den anderen Mannschaften schon Mitte Februar unsere Nachholespiele gegen den FSV Frankfurt und in Bad Neuenahr bestreiten, ehe die Meisterschaft ab 27. Februar offiziell fortgesetzt wird. Am 28. März steht das DFB-Pokal-Halbfinale an, im April das Halbfinale im UEFA-Cup. Wird mit Beginn des Trainings für die weitere Saison auch mit neuen Gesichtern in der Mannschaft zu rechnen sein? Es ist kein Geheimnis, dass wir noch eine Spielerin für den Abwehrbereich suchen. Wir gehören mit zwölf Gegentoren zwar zu den vier besten Mannschaften der Liga, aber im Defensivbereich haben wir nicht die von uns erhoffte permanente Stabilität erreicht. Daher denken wir hier schon lange über Verstärkung nach. Ob es klappt, wissen wir noch nicht; wir sehen uns auf verschiedenen Ebenen um. Gehandelt wird dabei auch die norwegische Nationalspielerin Lise Klavenes von Kolbotn IL. In dieser Angelegenheit gab es inzwischen aber keine Bewegung. Auch die Brasilianerin Cristiane ist als Verstärkung für Turbine im Gespräch – das ist eine Stürmerin. Sie ist eine Spielerin für den gesamten Kreativbereich und könnte sowohl im offensiven Mittelfeld als auch ganz vorn spielen. Durch die Belastung unserer Nationalspielerinnen und speziell Anja Mittags, die im Februar ebenfalls mit der Nationalmannschaft zum Four-Nations- Cup nach China reisen wird, brauchen wir für den Offensivbereich speziell über die linke Seite noch jemanden, der uns hilft. Wie groß ist Ihre Hoffnung, am Saisonende ein, zwei oder gar drei Pokale in den Händen zu halten? Als Meister wollen wir natürlich den Titel verteidigen, aber den gleichen Stellenwert hat für uns der Pokal. Wer einmal im Berliner Olympiastadion das Endspiel bestritten hat wie wir im Mai dieses Jahres, der möchte das unbedingt wiederholen. Uns trennt praktisch nur noch ein Spiel vom erneuten Einzug ins Finale, das ist momentan näher liegend als die Meisterschaft. Das gleiche gilt für den Europapokal. Wenn wir am Ende einen der drei Pokale gewännen, wäre das schon Klasse. Wobei jeder weiß, welcher uns noch fehlt. Wir sind aber Neulinge im UEFA-Cup und es wäre vermessen, sich hier den Triumph vorzunehmen. Allseits gerühmt wird das Potsdamer Frauenfußball-Modell, erst kürzlich wurde es von Theo Zwanziger, dem geschäftsführenden DFB-Präsidenten, bei seinem Besuch im Luftschiffhafen gewürdigt. Derzeit haben wir allerdings das Gefühl, dass wir bei der Einschulung in die Potsdamer Sportschule nicht mit Talenten überschüttet werden. Diese Sorge haben momentan auch andere Sportarten. Aber wir wissen, dass wir von dieser Schule auch in nächster Zeit leben werden, und in den letzten beiden Jahren haben wir aus diesem Bereich nicht die Spielerinnen bekommen, die wir uns gewünscht hatten. Zur Erinnerung: Wir hatten schon Jahrgänge, aus denen eine Viola Odebrecht und Jenny Zietz, eine Annelie Brendel und Stephanie Weichelt hervorgingen. Die Sichtung muss konzentrierter erfolgen, das heißt wir müssen auch in anderen Bundesländern nach jungen Spielerinnen suchen. Nur in Brandenburg und im nordostdeutschen Raum werden wir nicht mehr genügend Talente finden. Wir müssen für die Sportschule und deren Internat mehr Werbung betreiben. Würde eine erfolgreiche Turbine-Saison 2004/2005 dabei helfen? Natürlich, wobei das eine zweischneidige Sache ist. Zum einen schauen viele nach Potsdam, zum anderen haben wir einen hohen Anspruch an die und mit der Mannschaft, der es jüngeren Spielerinnen schwer macht, den Sprung ins Bundesliga-Team zu schaffen. Die Latte liegt hoch, und nur, wenn man bereits ab der siebenten Klasse konzentriert mit den Mädchen arbeitet, kann man unter Umständen Spielerinnen formen, die unserem hohen Anspruch gerecht werden. Das ist eine echte Herausforderung! Das Interview führte Michael Meyer
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