Landeshauptstadt: Alles Grün auf einem Chip
Wohnungsunternehmen Pro Potsdam hat ein Management für 14 197 Bäume und kooperiert mit Universität
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Baum Nummer 950: 41 Jahre alt, 1967 gepflanzt, inzwischen 25 Meter hoch und er hat einen Kronendurchmesser von sechs Metern. Es sind ziemlich viele Informationen, die Jörn-Michael Westphal über die Kiefer, die in einem der Innenhöfe in der Waldstadt steht, bekommt. Dabei ist der unauffällige Baum nur einer von etwa 40, die im Hof der Sonnentaustraße in der Waldstadt II zwischen sanierten Plattenbau-Fünfgeschossern stehen. Doch Westphal braucht die Informationen und noch viele mehr – alles für den Fall eines Unfalls und als Vorbereitung auf das sich verändernde Klima. Denn der Baumbestand soll den neuen Herausforderungen angepasst werden.
Baummanagement nennt es Westphal, der Geschäftsführer der Pro Potsdam und somit Herr über 14 197 Bäume in der Stadt ist. So viel Grün hat das städtische Wohnungsunternehmen auf seinen Grundstücken stehen, was knapp einem Baum je verwalteter Wohnung entspricht. Jährlich werden Tausende Euro ausgegeben, um Bäume und Gehölz zu pflegen.
Der entscheidende Impuls für diese Maßnahme sei von der eigenen Versicherung gekommen, sagte Westphal. Wer haftet, wenn ein Baum auf ein Auto fällt oder ein abgebrochener Ast für Schäden sorgt? Die Versicherung – aber nur, wenn der Eigentümer, in diesem Fall die Pro Potsdam, eine Pflege des Baumes nachweisen kann. Das kann Westphal seit einem Jahr. Die Firma d.b.g. Datenbankgesellschaft mbH aus Falkensee wurde beauftragt die Bäume zu erfassen und ein Kataster zu erstellen. Jeder einzelne Baum ist inzwischen registriert – mit Maßen, Alter und den Beschädigungen. Dazu werden noch die erfolgten Baumschnittmaßnahmen und Kontrollen kartiert. Etwa sechs Zentimeter lange Edelstahlnägel stecken heute in vielen der Stämme, darin verankert ist ein kleiner Chip mit allen Daten zu dem jeweiligen Baum. Alle neun Monate werden die Bäume inspiziert.
Verkehrssicherheit auf der einen, ein Zukunftswald auf der anderen Seite: Seit drei Jahren werden die Höfe in der Waldstadt gelichtet. Gefällt Bäume werden an einen Potsdamer Holzhändler verkauft, daraus entstehen Pellets und Bohlen. Die Kronen der Waldstadt-Kiefern werden geschreddert und in den Höfen verteilt. Insgesamt 2600 Bäume in dem Plattenbaugebiet gehören dem Unternehmen Pro Potsdam, fast die Hälfte davon sind Kiefern, nur 17 Prozent Eichen. Insgesamt haben die Fachleute 30 verschiedene Baumarten gezählt – zumindest das Verhältnis von Nadel- und Laubbäumen soll sich noch ändern. Ziel ist es, einen Mischwald zu schaffen, der den neuen klimatischen Herausforderungen gewachsen ist. Stärkere Stürme, heftigere Regenfälle, trockenere Sommer. Wie es genau wird in einigen Jahren, kann derzeit keiner vorhersagen, aber der Umbau der Forste – und solche waren die Waldflächen in der Waldstadt II – wird vorangetrieben.
Einfach absägen und neu pflanzen will die Pro Potsdam aber nicht. Die Natur soll sich selbst verjüngen, sagte Torsten Lipp vom Institut für Geoökologie der Universität Potsdam. Lipp begleitet das Projekt der Pro Potsdam mit einigen Studenten. Gemeinsam untersuchen sie die Entwicklung der Bäume und Sträucher an den einzelnen Standorten. Während Ahorn und Eichen von allein nachwachsen sollen, müssen für eine größere Vielfalt weitere Baumarten gepflanzt werden. Als Beispiel für den Umbau dient Lipp ein Hof in der Sonnentaustraße in der Waldstadt II. Alles ist grün, das Unterholz sieht gemessen an den Ansprüchen eines Gartens verwildert aus. Absichtlich, sagt Lipp. Zum Schutz der kleinen Bäume. Damit sie einmal so groß werden wie Nummer 950.
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