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Sport: Alles kann, nichts muss

Handball-Bundestrainer Sigurdsson entspricht dem Wunsch nach Veränderungen

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Berlin - Viel Zeit ist dann nicht mehr geblieben am vergangenen Sonntagabend, dafür waren die Entfernungen zu weit und die anstehenden Aufgaben zu nahe. Weil in der Handball-Bundesliga bereits am heutigen Mittwoch der nächste Spieltag stattfindet, haben sich die deutschen Nationalspieler schnell wieder in alle Himmelsrichtungen verteilt: Eine fundierte Analyse des ersten Lehrgangs unter dem neuen Bundestrainer Dagur Sigurdsson wurde vorerst bis zur nächsten Zusammenkunft verschoben. Welche Erkenntnisse sind also überliefert vom Debüt des Isländers?

„Es waren zwei aufschlussreiche Begegnungen, weil sie uns vor Augen geführt haben, dass wir uns jedes gute Resultat hart erarbeiten müssen“, sagte der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), Bob Hanning, als Co-Kommentator im Fernsehen. Und Sigurdsson: „Ich hätte natürlich gern beide Spiele gewonnen. Andererseits war es gut, dass wir unter Druck geraten sind.“

Unabhängig von den Resultaten gegen die Schweiz – einem Sieg (32:26) und einem Remis (28:28) – hat Sigurdsson dem Wunsch nach Veränderungen im Nationalteam bei seinen ersten Auftritten auf so ziemlich allen Ebenen entsprochen. „Die Aufbruchstimmung war spürbar in der Mannschaft“, sagt Oliver Roggisch. „Dagur ist ein überzeugender Typ, der gezeigt hat, dass er eigene Ideen mitbringt und diese dann auch umsetzt“, ergänzt der ehemalige Nationalspieler, der mittlerweile als Teammanager für die Nationalmannschaft arbeitet.

Personell drückte sich das in der Nominierung von fünf Debütanten aus: Julius Kühn (Gummersbach), Erik Schmidt (Friesenheim), Philipp Müller (Melsungen), Andreas Wolff (Wetzlar) und Paul Drux (Berlin) wurden zum ersten Mal zur A-Mannschaft eingeladen. Andererseits ist bezüglich des Kaders schon deshalb noch lange nicht die letzte Entscheidung gefallen, weil vor dem Lehrgang einige Spieler kurzfristig verletzt abgesagt hatten. Sigurdsson hatte zudem betont, künftig keine Kandidaten kategorisch auszuschließen.

Dass auch unter taktischen Aspekten offenbar nichts kategorisch auszuschließen ist, ließ sich am Defensivsystem ableiten, das Sigurdsson verordnet hatte. Zum ersten Mal seit Menschengedenken agierte die deutsche Nationalmannschaft nicht in der traditionell-konservativen 6-0-Formation, sondern in einer offensiveren 5-1-Variante. War das kein Stilbruch? Oliver Roggisch, zu aktiven Zeiten selbst ein gefürchteter Verteidiger und Organisator der 6-0-Deckung, relativiert diese Beobachtung: „Man sollte nicht gleich alles hinterfragen, was sich Dagur ausgedacht hat“, sagt Roggisch. „Eine traditionelle 6-0 wird es in ein paar Jahren ohnehin nicht mehr geben, insofern fand ich die Idee gut.“ Eine weitere Neuerung führte Sigurdsson in Unterzahlsituationen ein: Für diesen Fall nahm er bei eigenem Ballbesitz den Torhüter aus dem Spiel und brachte einen zusätzlichen Feldspieler – eine riskante, aber durchaus bewährte Methode.

Im Normalfall war der Spieler mit dem Leibchen ein junger Mann, dem Sigurdsson in dessen ersten Länderspielen ohnehin auffällig viel Verantwortung übertrug: Paul Drux. Der junge Rückraumspieler erbrachte bei seiner Premiere im Nationaltrikot den Nachweis, warum er als größtes deutsches Handball-Talent seit vielen Jahren gilt. „Ich habe noch nie einen 19-Jährigen gesehen, der in seiner Entwicklung so weit ist“, sagt Teammanager Roggisch, „Paul ist ein kompletter Spieler, vorn wie hinten einsetzbar, den man in den nächsten Jahren genau beobachten muss.“

Am heutigen Mittwoch geht es für Drux und Sigurdsson erstmal in der Bundesliga weiter. Dann treten die Füchse Berlin bei GWD Minden an. Christoph Dach

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