Links und rechts der Langen Brücke: Alles so seltsam hier
Sabine Schicketanz über Potsdam bei klirrender Kälte
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Vielleicht liegt es an der Kälte, der sibirischen. Oder daran, dass die Stadt so leer war, der Winterferien wegen. Es war jedenfalls eine Woche der seltsamen Nachrichten aus Potsdam. Da war der Taxiruf, über den man zwei Tage lang kein Taxi rufen konnte. Der Anschluss war tot, die Internet-Taxiruf-Verbindung auch. Eine Panne beim Telefonanbieterwechsel, hieß es lapidar zur Erklärung. Versatel, Vodafone, Telekom, einer der drei oder vielleicht auch alle hatten etwas falsch gemacht. Nach Bahn und S-Bahn noch eine Verlässlichkeit weniger. Es bleibt im Kopf die leise Frage, wen oder was es wohl als nächstes erwischt.
Seltsam auch die bürokratischen Hürden, die ausgerechnet die Liebenden im Potsdamer Rathaus nehmen müssen. Wo sich doch ansonsten fast alles (fast immer) im Internet anmelden, buchen, vorbestellen lässt, müssen sich Verlobte in der Landeshauptstadt noch jeweils am Monatsersten in aller Herrgottsfrühe im Standesamt anstellen, um ihren Wunschhochzeitstermin am Wunschort zu bekommen. Wer von diesem veralteten Procedere nichts weiß, der hat Pech gehabt. Liebe hin oder her.
Auch ein seltsamer Termin der Woche: Die Fertigstellung und „schlüsselfertige Übergabe“ der neuen Grundschule an der Pappelallee im Bornstedter Feld. 15,5 Millionen Euro hat der Traum von Schule mit Turnhalle und Hort gekostet, samt höchst moderner automatischer Sauerstoffgehalt-Messung für die Klassenraumluft – doch der Entwicklungsträger Bornstedter Feld verzichtete lieber darauf, die Öffentlichkeit zum Übergabetermin einzuladen. Schade eigentlich, die fertige Schule hätte sicher viele Potsdamer interessiert. Und dass der Neubau nun erst einmal ein halbes Jahr leer stehen wird, weil sich zuvor die Debatten über den Standort der neuen, dringend benötigten Schule ewig hinzogen, dann also die Bauarbeiten später begannen und nur zu Beginn eines Schuljahrs eine neue Schule genehmigt werden kann – das alles ist doch sowieso bekannt.
Für Liebhaber eigenwilliger Auseinandersetzungen hat Potsdam ja immer eine Debatte parat – in jüngster Zeit ist es die um die künftige „Schwimmbadversorgung“ in der Landeshauptstadt. Immerhin 131 000 wahlberechtigte Potsdamer sollen dazu im März befragt werden. Doch was man sie eigentlich fragen möchte, steht immer noch nicht fest. Die Stadtpolitik beschäftigte sich in dieser Woche erst einmal mit ihren Einschätzungen zum Marathon-Werkstattverfahren. Für die einen ist diese Art der Bürgerbeteiligung längst gescheitert, für die anderen ist sie ein Erfolgsmodell, das allerdings noch mehr Zeit und Geld braucht. Die Stadtspitze ließ diese Debatte links liegen. Sie verkündete nur den nächsten Werkstatttermin. Auch seltsam.
Vielleicht liegt es an der sibirischen Kälte. Vielleicht aber auch nicht.
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