Landeshauptstadt: „Alltagsrassismus ist in Potsdam präsent“
Servicestelle für Toleranz und Demokratie aufgelöst / Jetzt Sicherheitskonferenz verantwortlich
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Servicestelle für Toleranz und Demokratie aufgelöst / Jetzt Sicherheitskonferenz verantwortlich Von Günter Schenke Potsdam eine Hochburg des Rechtsextremismus? Wohl kaum. Doch die Stadt sei wegen ihrer Geschichte für die organisierten Rechten ein „interessanter Ort“, meint Ingo Siebert, der seit zwei Jahren gemeinsam mit Esther Lehnert in der Servicestelle für Toleranz und Demokratie tätig ist. Jetzt wird diese Servicestelle, finanziert aus Bundesmitteln, planmäßig geschlossen. Doch die Aufgaben bleiben. Potsdam sei „nicht unabhängig von der gesamtgesellschaftlichen Situation“, meint Lehnert und fügt hinzu: „Der Alltagsrassismus ist in Potsdam sehr präsent.“ Sie führt den Überfall zweier Rechtsradikaler auf einen jungen „Punk“ an, der in Rehbrücke zusammengeschlagen und auf die Gleise geschmissen wurde (PNN berichteten). Im Internet seien „Anti-Antifa-Listen“ mit Namen missliebiger Personen veröffentlicht worden. Und auch die nachbarschaftlichen Beziehungen von Einheimischen und Migranten ließen häufig Toleranz und Verständnis vermissen. Spätestens nach dem Anschlag auf die Trauerhalle auf dem jüdischen Friedhof am Pfingstberg im Jahre 2001 musste Potsdam zeigen, „dass so etwas in unserer Stadt nicht toleriert wird“, wie Oberbürgermeister Jann Jakobs sagt. Es gab damals einen lokalen Aktionsplan der Stadtverordnetenversammlung in dessen Folge 2002 die Servicestelle mit zwei „halben“ Stellen wissenschaftlicher Kräfte ins Leben gerufen wurde. Dazu gehört ein Beirat, dem der Oberbürgermeister vorsteht und der nach der Auflösung der Servicestelle zunächst erhalten bleiben soll. „Wir brauchen einen langen Atem gegen rassistische Übergriffe und für ein demokratisches Miteinander“ – in dieser Einschätzung von Esther Lehnert sind sich alle Beteiligten einig. Daher sollen die Aufgaben der Servicestelle künftig von der Sicherheitskonferenz, geleitet von Bärbel Eichenmüller, wahrgenommen werden. Das Jugendamt führt die Plakataktion „Antirassismus“ und die Ausländerbeauftragte die Arbeitsgruppe „Verantwortung in der Nachbarschaft“ weiter. Als besonderen Erfolg der letzten zwei Jahre hebt Jakobs hervor, dass der Aktionsfonds für Toleranz und Demokratie, der Initiativen in der Stadt unterstützt, weiter besteht. Er wird von engagierten Bürgerinnen und Bürgern als Verein weitergeführt. Ausländerbeauftragte Magdolna Grasnick schätzt ein, dass die Schaffung einer Öffentlichkeit für ein demokratisches Miteinander zu einer Verbesserung des Klimas für die Bürgerinnen und Bürger, die aus anderen Ländern hierher gekommen sind, geführt habe. Dazu hätten vor allem zwei Umstände beigetragen. Erstens habe sich die Abschaffung der Sachleistungen für den Lebensunterhalt von Asylbewerbern positiv ausgewirkt. Zweitens gebe es eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen den Mitarbeitern der Stadtverwaltung und den Flüchtlingen. Allerdings könne laut Siebert bei gewalttätigen Übergriffen von rechtsextrem orientierten Jugendlichen keine Entwarnung gegeben werden. Im täglichen Umgang mit Ausländern bestünden noch viele Vorurteile.
Günter Schenke
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