
© Manfred Thomas
Von Guido Berg: Allzeit volle Netze
Fischer Mario Weber sorgt sich nicht wegen der neuen Aal-Verordnung / Silvesterkarpfen noch zu haben
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Innenstadt - Sorgen? „Sorgen hat man so oder so.“ – Mario Weber grient in sich hinein. Potsdams letzter Fischer bietet neben frischem Grätenvieh auch Anschauungsunterricht in Sachen Gleichmut, innerer Ruhe und Unbekümmertheit. „Solange wir Fische fangen, ist alles in Ordnung“, sagt Weber, verschränkt die Arme über der Brust und blickt auf die glitzernde Haveloberfläche. Da ist zum Beispiel die Sache mit der geänderten Fischereiordnung ab 1. Januar 2010. Die soll eigentlich helfen, den gefährdeten Aalbestand zu sichern, liest sich aber eher wie ein Konjunkturprogramm zur Rettung der Papierindustrie. Freilich, Weber darf weiterhin soviel Aal fangen wie er will, ein bis eineinhalb Tonnen pro Jahr. Aber er muss über seine Aal-Aktivitäten „Fang- und Besatzbücher sowie Zukaufs- und Verkaufsbücher“ führen.
Fangbücher habe er ohnehin geführt, sagt Weber abwinkend: „Ich reiße mich nicht darum, die Zahlen noch auf ein anderes Blatt zu übertragen.“ Das bisschen mehr Bürokratie nimmt Weber jedoch stoisch hin, denn andererseits habe das Land den Ball mit der Verordnung „noch flach gehalten“.
Dass die europäischen Aale weniger werden, liege ohnehin nicht an den Binnenfischern und auch nicht an den Anglern, denen etwas mehr Beschränkungen auferlegt werden. So dürfen sie künftig nur noch maximal drei Exemplare pro Beutezug aus dem Wasser ziehen. Anstatt 45 Zentimeter ist zudem künftig ein Mindestmaß von 50 Zentimetern vorgeschrieben – ansonsten muss Anguilla anguilla wieder frei gelassen werden. Der 48-jährige Fischer, der für die Havel Angelerlaubnisse ausstellt, ist sich sicher, Schwarzangler als solche von seinem Boot aus zu erkennen: „Das hat man im Gefühl“, die Trefferquote bei seinen Kontrollen sei hoch. Aber es gehe nicht um Sanktionen, sondern um Vernunft. Wer seinen Angelschein kauft, bezahlt damit auch den Neubesatz mit Jungaalen. Weber: „Da schließt sich der Kreis.“
Nein, die Schuldigen für den Aal- Schwund seien ganz woanders zu suchen. Viele Jungaale, geschlüpft in der Sargassosee im Atlantik, erreichten gar nicht mehr die europäischen Flüsse, sondern würden vor den Küsten abgefischt und nach Asien exportiert. Dort werden sie in Fischfarmen gemästet und als Delikatesse verkauft. Darum sollten sich die Europa-Politiker kümmern, fordert Fischer Mario Weber, „anstatt sich um die Größe von Aschenbechern zu streiten“.
Aale aber sorgen jetzt nicht für Sorgenfalten auf der Stirn von Mario Weber. Schon deshalb nicht, weil des Fischers Brotfisch dieser Tage nicht der Aal, sondern der Karpfen ist. Noch immer mögen die Leute einen Silvesterkarpfen, blau oder gebraten. Auch hält sich der Glaube, eine Karpfenschuppe im Portemonnaie schütze vor Geldsorgen im neuen Jahr. So bietet Mario Weber auch dieses Jahr wieder seine aus einer Lausitzer Zucht stammenden Karpfen an. Wer sein Silvester-Mahl geschlachtet, ausgenommen, geschuppt und womöglich filetiert haben will, muss vorbestellen. Spät Entschlossene können bis zum morgigen Tag, 12 Uhr, bei Weber kaufen – müssen dann aber selbst zum Messer greifen.
Weiteres im Internet unter:
www.fischerhofpotsdam.de
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