
© Andreas Klaer
Von Guido Berg: Als das Recht Unrecht war
Bahnhofspassagen profilieren sich als Ausstellungsort: Exposition über NS-Militärjustiz und Wehrmachtsdeserteure gestern eröffnet
Stand:
Innenstadt - Diese Ausstellung ist den Potsdamern drei Jahre lang vorenthalten worden: Seit gestern ist die Exposition „Was damals Recht war “ nun täglich in den Potsdamer Bahnhofspassagen zu sehen. Eigentlich sollte die Wanderausstellung, die das Schicksal der Wehrmachts-Deserteure im Zweiten Weltkrieg thematisiert, schon 2007 im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) gezeigt werden. Doch die damalige Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) habe sich dafür entschieden, lieber eine Ausstellung über die Keramikerin Hedwig Bollhagen zu zeigen, erklärte gestern Jörg Kwapis, Vorsitzender des Potsdamer Vereins zur Förderung der antimilitaristischen Tradition in seiner Eröffnungsrede. Noch im Mai 2009, so Kwapis, habe das HBPG die Ausstellung mit der Begründung abgelegt, sie sei bereits in Berlin gezeigt worden. Dazu erklärte gestern HBPG– Sprecherin Antje Frank, 2007 sei das Angebot abgelehnt worden, weil die Ausstellungsplanung bereits „in Sack und Tüten“ gewesen sei. Die Begründung für die zweite Ablehnung 2009 bestätigte Antje Frank.
Gern habe er die Schirmherrschaft übernommen, erklärte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Gerade in der ehemaligen Militär- und Garnisonsstadt Potsdam sei es wichtig, mit so einer Ausstellung „zu informieren und aufzuklären“. Die Darlegung vieler Einzelschicksale verleihe der Geschichte „Name und Gesicht“. In der alten Bundesrepublik, so Jakobs, seien die Deserteure „auf Ablehnung und Feindschaft gestoßen“. Gleichsam würdigte der Oberbürgermeister, dass auch nationalsozialistische Richter ins Licht der Betrachtung gezogen werden, „deren Wirken in den allermeisten Fällen nach 1945 nicht beendet war“. Der Ausstellungstitel bezieht sich auf einen Ausspruch des NS-Richters und späteren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger (CDU), der sein mangelndes Unrechtsbewusstsein so bezeugte: „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein.“
Maßgeblich unterstützt wurde die von Designerin Dagmar von Wilken gestaltete Ausstellung durch die Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Deren Direktor Uwe Neumärker sagte, Stiftungsziel ist ein würdigendes Gedenken aller NS-Opfer. Die Ausstellung „Was damals Recht war “ habe „im Vorfeld viele Ängste geschürt“. Als Begründung nannte Neumärker die vieldiskutierte Wehrmachtsausstellung der Reemtsma- Stiftung. Die Ausstellung sei jedoch „keine Einladung, aus der Bundeswehr zu desertieren“, erklärte Neumärker; vielmehr gehe es „um eine differenzierte Darstellung der NS-Militärjustiz“.
In den Bahnhofspassagen dabei war gestern auch der als Wehrmachtsdeserteur verurteilte Ludwig Baumann. Bis zu seiner Begnadigung saß Baumann zehn Monate in der Todeszelle, immer an Händen und Füßen gefesselt und jeden Morgen mit der Angst aufwachend, es könnte sein letzter sein. Im Wehrmachtsgefängnis „Fort Zinna“ in Torgau bekam er manchmal Hemden ausgeteilt, die hatte vorn ein kleines und am Rücken ein großes Loch – letzte Hemden eines Hingerichteten. Nach 1945 beschimpften ihn Unbelehrbare in der alten Bundesrepublik als Feigling und Verräter. Schwer traumatisiert, wurde er alkoholkrank. Im Oktober 1990 gründete er mit 37 weiteren Überlebenden die Bundesvereinigung der Opfer der NS-Militärjustiz. Erst 2002 wurden die Wehrmachtsdeserteure rehabilitiert. Aber schon 1997 fand Baumann in einem Bundestagsbeschluss den ihn so erlösenden Satz: „Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen.“
„Was damals Recht war“ ist bis zum 7. April täglich in den Bahnhofspassagen zu sehen. Der Eintritt ist frei.
Das Video stellte uns freundlicherweise PotsdamTV zur Verfügung.
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