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Evangelisch schlicht. Die Kirche in Eiche ist hell und hat eine gute Akustik. 240 Jahre Kirchengeschichte hat Chronist Eberhard Kapuste auf knapp 200 Seiten zusammengetragen.

©  Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Als der Kirchturm herunterkippte

Eberhard Kapuste schrieb eine Chronik über die Kirchengemeinde Eiche

Kann Kunst Frieden stiften? In der evangelischen Kirche im Potsdamer Stadtteil Eiche findet sich hierauf eine spezielle Antwort. Kaum übersehbar, zugleich aber sehr verborgen, unaufdringlich und doch nicht ohne Glanz kommt in diesem barocken Rundbau eine besondere Friedensbotschaft daher: Die Bemalung in den britischen Nationalfarben soll die Prospektpfeifen der Orgel einst davor bewahrt haben, für die Kriegsproduktion im Ersten Weltkrieg eingeschmolzen zu werden. Rot und Blau auf weißlich schimmerndem Zinn. Ausgerechnet die Farben des Gegners als Waffenverhinderer?

Belegt ist diese kleine Antikriegsgeschichte leider nicht, wie Kirchenchronist Eberhard Kapuste erzählt. Der 75-Jährige steht auf der Empore „seiner“ Kirche und schaut zur Orgel. Nun, sagt er, es gebe die Vermutung, dass die Bemalung der sichtbaren Pfeifen des 1882 von der Firma Sauer erbauten Instruments auf eine Anregung der aus England stammenden Kronprinzessin Victoria zurückgeht. Schließlich habe sie mit ihrem Gatten Friedrich Wilhelm, dem späteren „99-Tage-Kaiser“ Friedrich III., des Öfteren Gottesdienste hier in Eiche besucht. Ja, und ob die außergewöhnliche Bemalung die Zinnpfeifen tatsächlich vor der Waffenschmiede bewahrte oder ob sie ohnedies verschont geblieben wären, sei ebenfalls nicht sicher, so Kapuste.

Der Chronist, als ehemaliger Offizier der Bundeswehr selbst mit Fragen von Krieg und Frieden bestens vertraut, hat vor wenigen Monaten eine Chronik der evangelischen Kirchengemeinde Eiche geschrieben. Auf knapp 100 Seiten geht es durch über 240 Jahre lokale Kirchengeschichte: von der Errichtung des von Georg Christian Unger unter Mitwirkung von Friedrich II. entworfenen Gotteshauses im Jahre 1771 über den Kirchenbrand von 1854 bis zum Hinabstürzen des von den Sowjets beschossenen Turms am Ende des Krieges 1945 und dessen Wiederaufbau im Jahre 2000. Doch nicht nur das Kirchengemäuer, auch die Menschen nimmt Kapuste bei seinem Ritt durch die Jahrhunderte immer wieder in den Blick: Ärmlich hätten die Leute früher in dem kleinen Dorf Eiche gelebt. Besonders die Kindersterblichkeit könne man sich heute kaum noch vorstellen.

Heute nicht mehr denkbar ist die Sitzordnung, die laut Kapuste früher in der Kirche herrschte: Die Männer saßen auf der Empore, die Frauen unten. Und noch etwas hat Kapuste bei seinen Recherchen festgestellt. Egal zu welcher Zeit, die Finanzen für Reparaturen und Umbauten des Gotteshauses waren stets knapp.

Und heute? Kapuste steht auf der Empore und zeigt auf das Gestühl. Es sieht abgegriffen aus. Frische Farbe wäre hier nicht schlecht. „Sie sehen überall, es müsste mal richtig...“, sagt er, ohne den Satz zu beenden. Und dann folgt doch noch ein Statement zum Zustand des Mobiliars: „Aber es hält noch, man darf da nicht so kritisch sein.“ Überhaupt habe man in den letzten 20 Jahren viel in das Kirchengebäude investiert. Vor rund zehn Jahren seien eine Wandheizung und Thermoscheiben eingebaut worden. Doch die sichtbarste Veränderung ist freilich der Turm, der 55 Jahre nach seiner Zerstörung seit nunmehr über 12 Jahren die Kirche wieder bekrönt.

Draußen vor dem Gotteshaus zeigt Kapuste, wie es 1945 hier ausgesehen haben muss. „Hier so reingekippt“ sei der Turm damals, sagt der 75-Jährige und macht dabei eine Armbewegung, die andeutet, wie der Turm damals auf den Kirchhof gestürzt ist. „Die Russen haben immer Türme weggeschossen“. Sie hätten dort Artilleriebeobachter vermutet.

An dem Gotteshaus schätze er heute besonders die Helligkeit. Auch habe der Raum eine sehr gute Akustik. Die nicht besonders üppige Ausstattung des Innenraums mit seinen hölzernen Säulen bezeichnet Kapuste als „evangelisch schlicht“. 1806 hätten die Franzosen „mal ein paar Sachen mitgehen lassen“. Heutzutage gebe es in dem Rundbau nicht allzu viel Wertvolles. „Also Einbruch lohnt sich hier nicht.“ HC

Die Kirchenchronik ist kostenlos erhältlich über die evangelische Kirchengemeinde Eiche und Eberhard Kapuste.

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