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Landeshauptstadt: Als die MIG vorm Marmorpalais stand

Der zweite Teil der PNN-DVD über Potsdam soll DDR-Alltag zeigen. Filmemacher Castan sucht Material

Von Peer Straube

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Die große Parade zum 1. Mai in der damaligen Wilhelm-Külz-Straße. Greise SED-Granden winken mit zittriger Hand dem bestellten Aufmarschvolk von der Tribüne am Ernst-Thälmann-Stadion zu. Szenenwechsel in den VEB Maschinenbau „Karl Marx“ Babelsberg, Hersteller von Autodrehkränen. Donnernd krachen riesige Presslufthämmer auf die frisch geschweißten Kranausleger, um das von der Hitze verzogene Metall wieder geradezurichten. Schnitt auf eine gewaltige Baustelle. Auf einem fast fertigen Wohnblock Am Stern werden mit dem Kran die letzten Betonplatten eingesetzt, daneben Straßenbahngleise verlegt.

Es sind solche Szenen, die Joachim Castan Glücksgefühle bescheren – wenn er sie denn auf Film vorliegen hätte. Schon einmal hat der Osnabrücker Historiker und Filmemacher, dessen Vorfahren jahrhundertelang in Potsdam lebten, längst vergessene Filmschätze aus der einstigen Preußenresidenz gehoben. Für eine exklusiv für die PNN produzierte 45-minütige DVD trug er Amateurfilmmaterial aus der ganzen Welt zusammen, größtenteils unveröffentlicht, die die Stadt zwischen 1921 und 1945 zeigen. Die DVD, die seit zwei Monaten nur im PNN-Shop erhältlich ist, hat sich bereits zum Renner entwickelt.

Darauf hofft Castan auch beim geplanten zweiten Teil, der noch vor dem diesjährigen Weihnachtsfest fertig sein soll. Auch diese DVD, die Filmaufnahmen aus Potsdam zwischen 1945 und 1991 zeigen soll, wird exklusiv für die PNN produziert. Doch bislang fehlt dem Historiker noch entsprechendes Filmmaterial, um das Werk abzurunden. Knapp eine halbe Stunde Film hat er zusammen, Aufnahmen von der Trümmerlandschaft am Alten Markt kurz nach dem Krieg, auch von der Ruine der Garnisonkirche. Es gibt Szenen mit dem Leben und Treiben in der Brandenburger, damals Klement- Gottwald-Straße, nebst Konsument-Warenhaus, dem heutigen Karstadt, die ein Potsdamer gedreht hat. Aus historischer Sicht besonders interessant dürften die Innen- und Außenaufnahmen vom Marmorpalais sein, das zu DDR-Zeiten bekanntlich als Armeemuseum zweckentfremdet worden war. An das sowjetische MIG-Jagdflugzeug im Hof werden sich viele ältere Potsdamer noch erinnern. Es sind ebenfalls alles Amateurfilme, zumeist von westdeutschen Potsdam-Besuchern. Nun bittet Castan alle Potsdamer und Brandenburger, ihre Dachböden zu durchforsten oder alle zu befragen, die noch Filmaufnahmen aus der Zeit zwischen 1945 und 1991 besitzen könnten. Auch älteres Material ist willkommen. Der Historiker ist vor allem am DDR-Alltagsleben interessiert und sucht noch Filmaufnahmen von Potsdamer Betrieben wie dem Plattenwerk, dem RAW, dem BMK Ost oder auch der Defa. Straßenszenen mit Trabis und Wartburgs sind ebenso gefragt wie Kundgebungen oder Aufbauarbeiten, etwa Szenen von der Errichtung der großen Plattenbaustadtteile im Potsdamer Süden.

Angst um sein Material müsse niemand haben, sagt Castan. Die Aufnahmen – egal ob 16-Millimeter-Film, Normal 8 oder Super 8 – würden lediglich kopiert und dem Besitzer wieder zurückgeschickt. Als Dankeschön werden alle, die zu dem Projekt beigetragen haben, zu einem kleinen Fest eingeladen, das zur Premiere ausgerichtet werden soll.

Das Filmmaterial kann entweder direkt im PNN-Shop bei Karstadt abgegeben werden oder, mit Namen, Adresse und Telefonnummer versehen, als Paket geschickt werden: PNN, z.H. Herrn Hanisch, Platz der Einheit 14, 14467 Potsdam.

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