zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Als die Szene noch tanzte

Eine Foto-Ausstellung zeigt, was Potsdamer Jugendliche mit der Schließung des Spartacus verloren haben

Stand:

Das Gedicht klingt melancholisch. Beschrieben wird ein „winziges Mekka der absoluten Freaks, der krankesten Künstler, der verrücktesten Gestalten und der alternativsten Gemeinschaft“ – das „übersehen wurde, ungeachtet blieb und untergehen musste.“ Die Zeilen sind dem seit Frühjahr geschlossenen Spartacus-Club gewidmet, sie hängen mit anderen Texten und insgesamt rund 20 Fotografien im an sich kahlen Treppenhaus der Stadt- und Landesbibliothek Am Kanal. Noch bis zum 15. September ist die namenlose Ausstellung noch zu sehen: Sie dokumentiert vor allem die Trauer von jungen Leuten, einen ihrer wichtigsten Räume zur Selbstverwirklichung verloren zu haben.

So zumindest geht es auch den Organisatoren Marie Faust, Alina Wander und Florian Hercher, die für die Ausstellung finanzielle Hilfe vom Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) bekommen haben. Ihre Mittel sind dennoch begrenzt, erklären sie im Eröffnungstext der Schau : „;Mit dieser Ausstellung beleuchten wir nur einen winzigen Teil der Menschen, die Teil des Spartacus waren.“ Und sie blicken zurück, als ihr Haus noch offen war: „Die Offenheit und Individualität, die die Menschen mitbrachten, führte zu einem Klima der Freundschaft und Geborgenheit.“

In den Texten zu den Portraitbildern finden sich viele solcher eher abstrakter Begriffe. Doch es gibt auch ganz praktische Beispiele dafür, welche Jugendszenen mit dem Haus ihre Bleibe verloren haben. Ein Mädchen schreibt über die langen Electro-Nächte, die Monat für Monat in dem Haus an der Schloßstraße zelebriert wurden: „Die Spartacusszene lebte/ tanzte glücklich vor sich hin und wuchs ständig.“ Doch nicht nur das: Junge Potsdamer Discjockeys mit Pseudonymen wie Tauchsieder Mr. Ties hätten dort regelmäßig auflegen und ihren Beitrag zur Musikkultur in Potsdam leisten können. Doch nun. „Spartacus tot!“, stellt die junge Frau fest. Und schaut auch zurück: „Es war der letzte Raum, der so vielseitig genutzt werden konnte, um Menschen zu verbinden und obendrauf so künstlerisch kreativ gestaltet war (ein Schaukel baumelte von der Decke), dass ich mich wohlfühlte.“

Die meisten Texte zu den Ausstellungsbildern blicken zurück, nur wenige nach vorn. Dass klingt dann oft kämpferisch: Sprüche wie „Freiheit. Für Sparta“ oder „Den zukünftig ehemaligen Landtag als Graffitifreifläche“ sind Beispiele dafür. Manche der Botschaften sind aber auch nur einfache Wünsche, fast ein wenig naiv: „Irgendjemand sollte eine Location kaufen und dann noch eine.“

Jenseits solche Tagträume geht die Diskussion um einen Ersatz für das Spartacus weiter. Heute haben die ehemaligen Macher die Stadtverordnete aller Fraktionen ab 18 Uhr ins Alte Rathaus eingeladen, die Politik soll sich äußern, wo ein neuer Spartacus entstehen könnte. Die jungen Menschen von den Fotos der Ausstellung dürften wohl auch kommen. Henri Kramer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })