Landeshauptstadt: Als Knüllpapier geschmuggelt
Waldorfschulen gab es in der DDR offiziell nicht. Damit sich die reformpädagogischen Ideen des Begründers Rudolf Steiner trotzdem schon vor dem Mauerfall ihren Weg nach Potsdam bahnen konnten, brauchte es Fantasie, berichtet Gabi Brüning, heute Chefin des Waldorfkindergartens Wall am Kiez: Über entfernte Bekannte aus Bayern kam die Potsdamerin, die damals noch als Ingenieurin arbeitete, damit in Kontakt.
Stand:
Waldorfschulen gab es in der DDR offiziell nicht. Damit sich die reformpädagogischen Ideen des Begründers Rudolf Steiner trotzdem schon vor dem Mauerfall ihren Weg nach Potsdam bahnen konnten, brauchte es Fantasie, berichtet Gabi Brüning, heute Chefin des Waldorfkindergartens Wall am Kiez: Über entfernte Bekannte aus Bayern kam die Potsdamerin, die damals noch als Ingenieurin arbeitete, damit in Kontakt. Die bayrischen Waldorf-Anhänger versteckten Kopien von Steiners Schriften in den Westpaketen mit abgelegten Kleidern – als Knüllpapier in Schuhen. „Ich weiß noch, wie ich die Steiner-Texte dann glatt gebügelt und gleich am Bügelbrett gelesen habe“, erinnert sich Gabi Brüning.
Sie gehörte dann auch zu den rund 20 Potsdamer Eltern, die sich kurz nach der Wende zu einem Verein zusammenschlossen und wenig später Potsdams ersten Waldorf-Kindergarten ins Leben riefen. Am Freitagabend feierte der Waldorfkindergarten im Wall Am Kiez nun sein 20-jähriges Bestehen.
„Wir Eltern haben damals einfach etwas anderes für unsere Kinder gesucht“, sagt Gabi Brüning. Der Elterninitiative sei damals mit Verwunderung und Skepsis begegnet worden – auch beim Jugendamt, das sich gerade neu gebildet hatte, wie die heutige Kita-Chefin erzählt: „Da gab es große Unsicherheit wegen der gesetzlichen Regelungen.“
Am 1. März 1993 ging die Kita an den Start – in einer Villa in der Geschwister-Scholl-Straße: „Wir wussten von Anfang an, dass wir da wieder raus mussten“, sagt Brüning. Denn das Haus war langfristig für die ebenfalls von Eltern ins Leben gerufene Waldorfschule vorgesehen. Begonnen hat der Reformkindergarten mit zwölf Kindern, zwei Erzieherinnen und einer Bürokraft: „Innerhalb von anderthalb Monaten hatten wir 21 Kinder.“
Großen Zulauf hat die Kita bis heute: Auf einen der inzwischen 49 Plätze bewerben sich jeweils vier Eltern. Geschwisterkinder und Härtefälle werden zuerst genommen, die übrigen Plätze werden verlost, sagt die Kita-Chefin: „Man kann das sonst nicht gerecht machen.“ Im Geburtstagsjahr soll der Kindergarten eine sanierte Gebäudehülle und neue Grünflächen bekommen. Der nächste Wunsch ist eine eigene Küche im Haus. „Wir sind stolz, dass wir 20 Jahre durchgehalten haben“, sagt Gabi Brüning. jaha
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: