Homepage: Als Preußen und Versailles sich näherkamen
Die Stadt Potsdam möchte in Versailles ein Zentrum für Europäische Aufklärung ins Leben rufen. Mit dem Moses Mendelssohn Zentrum will man das gemeinsame Kulturerbe bewahren
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Die Stadt Potsdam denkt gegenwärtig zusammen mit dem Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien (MMZ) und der Universität Potsdam über die Errichtung eines Zentrums für Europäische Aufklärung in Versailles nach. Das Projekt befindet sich noch in einem sehr frühen Planungsstadium. Ein erstes Konzept ist von der Universität Potsdam erarbeitet worden, wie zu erfahren war. „Das ist eine grandiose Idee“, sagte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) zu dem Vorhaben. Ursprünglich kam die Idee von Professor Julius H. Schoeps, Direktor des MMZ. Ein solches Zentrum in Versailles könnte unter dem Dach des Potsdamer MMZ gegründet werden, so der Historiker.
Es gab dazu bereits ein Treffen mit dem ehemaligen französischen Botschafter in Deutschland, Maurice Gourdault-Montagne. Auch er soll von der Idee begeistert gewesen sein, wie Jakobs berichtet. Nun sollte die Idee am 3. Oktober mit dem Bürgermeister von Versailles, François de Mazières, bei seinem Besuch in Potsdam besprochen werden. Da der Besuch allerdings aus terminlichen Gründen abgesagt werden musste, wird nun ein neues Treffen angestrebt, um das Vorhaben konkreter zu machen.
Bis dato wurden erste inhaltliche Themen angedacht. Wie das Zentrum institutionell aufgestellt werden soll, sei aber noch völlig offen. „Das ist erst einmal eine Ideenskizze“, sagte Jann Jakobs den PNN. Über das Vorhaben könne dann ein wissenschaftlicher Austausch mit Potsdam in Gang kommen. Am Anfang sollen erst einmal zwei Tagungen im kommenden Jahr stehen.
Hintergrund des Vorhabens ist, dass die Stadt Potsdam Versailles als Partnerstadt gewinnen möchte. „Von der Struktur her ähneln sich die beiden Schlösser- und Universitätsstädte Potsdam und Versailles sehr, es gibt viele Parallelen, von der Lage am Rand der jeweiligen Hauptstadt bis zur Einwohnerschaft“, erklärt Jakobs. MMZ-Direktor Julius H. Schoeps schwebt vor, das Zentrum nach Moses Mendelssohn zu benennen, einem der Vordenker der deutschen Aufklärung. Als Auftakt sind zwei wissenschaftliche Konferenzen zum „Erbe der europäischen Aufklärung“ in den kommenden beiden Jahren geplant, eine in Versailles (2015) und eine in Potsdam (2016). „Daraus kann sich dann mehr entwickeln“, sagte Schoeps dieser Zeitung. Falls es zur Gründung eines „Moses Mendelssohn Zentrum für Europäische Aufklärung“ kommen sollte, wäre sein Ort in Versailles. „So könnten wir uns das vorstellen“, sagte Schoeps. So wie das MMZ 2012 bereits ein Mendelssohn-Institut in Zagreb gegründet hat, soll auch das in Versailles zusammen mit der dortigen Universität entstehen. „Potsdam, Zagreb, Versailles. Das wäre ein interessanter Verbund der Mendelssohn-Institute“, meint Schoeps. Der Name Moses Mendelssohn würde der Idee aufgrund Mendelssohns Beziehungen zu Frankreich eine gute Grundlage bieten. Wie das Ganze finanziert werden soll, darüber müsse noch verhandelt werden.
Das Vorhaben sei aber durchaus realistisch, so Schoeps. „Was mich an dem Vorhaben reizt, ist die Verbindung von Potsdam und Versailles, die Verbindung zweier Residenzstädte“, sagte der Historiker. Daraus könne man einiges machen. Schoeps denkt dabei etwa an eine engere Zusammenarbeit der Stiftung Schlösser und Gärten mit dem entsprechenden Pendant in Versailles, an die Musikfestspiele, aber eben auch an wissenschaftliche Zusammenarbeit. Die inhaltlichen Eckpunkte eines solchen Zentrums würden derzeit diskutiert. Eine solche Verbindung mit Versailles wäre jedenfalls etwas ganz Neues. Die Grundlagen für eine solche Zusammenarbeit seien in jedem Fall an der Uni Potsdam und durch das MMZ gegeben, so Schoeps, Man müsse nur zwischen den möglichen Beteiligten die grundsätzliche Übereinstimmung herstellen.
Moses Mendelssohn (1729 bis 1786) war ein deutscher Philosoph der Aufklärung und gilt als Wegbereiter der Haskala, was insbesondere die jüdische Bildung und Aufklärung bezeichnet, eine von Berlin ausgehende Bewegung der Aufklärung zwischen 1770 und 1880. 1755 sorgte Gotthold Ephraim Lessing für die Publikation von Mendelssohns erster deutscher Schrift, den „Philosophischen Gesprächen“ (anonym erschienen), und vermittelte ihm die Bekanntschaft von Friedrich Nicolai, der ihn als Mitarbeiter für seine einflussreiche Zeitschrift „Briefe, die Neueste Literatur betreffend“ gewinnen konnte. Mendelssohn wurde fortan zu einem einflussreichen Kritiker der neu entstehenden deutschen Literatur. Zusammen mit Lessing und Nicolai gehörte er dem Montagsklub der Berliner Aufklärung an.
Ausgangspunkt für das nun geplante wissenschaftliche Zentrum in Versailles ist der Gedanke, dass die Beziehungsgeschichte zwischen Potsdam und Versailles nicht nur durch kriegerische Konflikte geprägt war. Vielmehr finden die Forscher heute im Zeitalter der europäischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts eine Vielzahl von Querverbindungen. Unter Friedrich dem Großen war Sanssouci zum Treffpunkt französischer Aufklärer – von Voltaire über La Mettrie bis zu Mirabeau – geworden. Hier entsponnen sich wiederum enge Beziehungen zur jüdischen Aufklärung in Preußen – mit Moses Mendelssohn an der Spitze. Dieser Nukleus der Aufklärung führte dazu, dass auch Potsdam neben dem Zentrum Versailes in der europäischen Hofkultur wahrgenommen wurde. Sanssouci erhielt innerhalb der Netzwerke der europäischen Gelehrtenrepublik fortan seinen eigenen Platz.
Dieses gemeinsame Kulturerbe soll nun auf den geplanten internationalen Konferenzen vorgestellt und diskutiert werden. Neben der Wissenschaft sollen dabei auch Vertreter aus Politik, Medien und Kultur die aktuelle Bedeutung dieser vielseitigen Beziehungsgeschichte angesichts der Herausforderungen der Globalisierung reflektieren. An den Auftaktveranstaltungen sollen neben dem MMZ und der Potsdamer Uni auch die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG), die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, das Centre de recherche du château de Versailles, die Université St. Quentin en Yvelines Versailles, das Institut français und das Goethe-Institut beteiligt werden.
Ein Institut für Europäische Aufklärung gab es schon einmal in Potsdam. Das Potsdamer Forschungszentrum Europäische Aufklärung (FEA) war als An-Institut der Universität am Neuen Markt angesiedelt. Es wurde im Jahre 2007 aufgelöst, nachdem der Wissenschaftsrat es negativ evaluiert hatte. Damals wurde kritisiert, dass ein überzeugendes Forschungsprogramm fehle. Auch wurde die Kooperation mit der Universität Potsdam als unzureichend gesehen. Die Aufklärungsforschung wurde fortan erfolgreich unter dem Dach der Universität fortgeführt.
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