Links und rechts der Langen Brücke: Alte Fehler
Jana Haase über den neuen Streit um die Gedenkstätte Lindenstraße
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Opferverbände sind empört, die Stadt weist alle Vorwürfe zurück: Wer die Nachrichten vom Streit um die Gedenkstätte Lindenstraße in dieser Woche nur flüchtig gelesen hat, fühlte sich an den Dauerkonflikt in der Leistikowstraße erinnert. Aber der Fall liegt hier anders. Und die Verärgerung der Vertreter von Opfern der NS-Militärjustiz und rassistischer „Euthanasie“-Politik ist auch sicher nicht nur der Frage nach der Einladung zur Ausstellungseröffnung geschuldet. Sie ist die Rechnung für Fehler der Stadt, die weiter zurückreichen.
Zwei Jahrzehnte – viel zu lange – war die Gedenkstätte in der Innenstadt chronisch unterfinanziert. An eine Aufarbeitung der komplexen Geschichte dieses einmaligen historischen Ortes, die Konzeption einer Ausstellung, wurde jahrelang nicht gedacht. Dass die von Stadtseite stiefmütterlich behandelte Gedenkstätte öffentlich zugänglich war und pädagogische Arbeit mit Schulklassen geleistet wurde, ist dem – teilweise auch ehrenamtlichen – Engagement von Einzelpersonen zu verdanken.
Dabei kamen zwangsläufig wichtige Aspekte zu kurz. Bis heute ist das „Lindenhotel“ im öffentlichen Bewusstsein in erster Linie der Stasi-Knast. Dass dort auch vor 1945 tausendfach Verbrechen geschahen, stand nicht im Vordergrund. Mit einer vernünftig ausgestatteten Gedenkstätte hätte das längst anders sein können – und müssen, denn die Zeitzeugen aus diesen Jahren werden naturgemäß immer weniger. Dass Opferverbände beim Rathaus teilweise monatelang auf Rückmeldung warteten, tat ein Übriges, um die Beziehungen zu vergiften. Mit dem im September eröffneten Ausstellungsbereich zur NS-Geschichte bot sich die Chance, das lange Versäumte endlich nachzuholen.
Umso bitterer, dass es nun wieder Streit gibt. So gibt es nach Aussage des Bundes der „Euthanasie“-Geschädigten und Zwangssterilisierten einen zweiten noch lebenden Zeitzeugen – die Stadt ist stets nur von einem ausgegangen. Auf das Angebot, einen Kontakt zu dem Mann herzustellen, sei das Rathaus nicht eingegangen, heißt es. Doch selbst wenn es sich nur um ein Missverständnis handelt, gehört es schnellstens ausgeräumt.
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