Landeshauptstadt: Alte Fotos als Liebesbeweis
Peter Rogge gestaltete einen Kalender mit historischen Fotos des Potsdamer Fotografen Wilhelm Andauer
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Es war ein echter Schatz, der im vergangenen Jahr im Internet angeboten wurde: Ein Album mit über 100 Jahre alten Fotokostbarkeiten vom historischen Potsdam. Ein Berliner Antiquariat hatte das Prachtstück aus einer Haushaltsauflösung erworben und im Internet angeboten, wie der Potsdamer Grafikdesigner Peter Rogge erzählt. Über ein Jahr habe das fotografische Zeitzeugnis im Internet zum Verkauf gestanden, so Rogge.
So schlich der 49-Jährige zunächst nur virtuell um das dunkelrote Album mit Fotos des Potsdamer Fotografen Wilhelm Andauer herum. Schließlich aber fuhr der Grafikdesigner selbst nach Berlin, um das edle Stück in Augenschein zu nehmen. Wie es sich für einen richtigen Schatz gehört, der gerade gehoben wurde, so hatte auch das Fotoalbum schon etwas Patina angesetzt, aber die Fotos waren recht gut erhalten und vor allem hochinteressant. Doch mit anderen Schätzen teilte das Album ein weiteres Schicksal: Es war nicht eben für wenig Geld zu haben. Rogge, der es sehr gern kaufen wollte, besprach sich mit seiner Frau. Sie stimmte dem Erwerb zu. „Das war ein Liebesbeweis“, ist Rogge ihr noch heute dankbar. Vor einem Jahr kaufte er schließlich das Foto-Buch. Den genauen Kaufpreis möchte Rogge nicht in der Zeitung lesen. Dass es sich um eine vierstellige Summe handelte, hatte Rogge allerdings bereits öffentlich gemacht.
Schon mehrfach hat der Potsdamer die historischen Aufnahmen der Öffentlichkeit vorgestellt, zuletzt am vergangenen Dienstag in der Urania, wo er die mittlerweile eingescannten Fotos einem größeren Publikum präsentierte. Die über 90 Bilder zeigen das Potsdam des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Verschiedene Aufnahmen mögen auch erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sein. Die genaue Datierung ist schwierig. Auf einigen Fotos ist Trauerbeflaggung zu sehen, zum Beispiel am Alten Rathaus oder in der Garnisonkirche. Rogge vermutet, dass diese Aufnahmen im Sommer 1888 entstanden sind, nachdem Kaiser Friedrich III. gestorben war. Auf einem anderen Foto macht der Alte Markt seinem Namen alle Ehre: Marktstände reihen sich auf dem Platz aneinander. „Hier ist Otto-Normalverbraucher einkaufen gegangen“, sagt Rogge.
Mehrere Aufnahmen zeigen den Park Sanssouci. Interessant dabei: Zu sehen ist die romantische Gestaltung des königlichen Parks nach dessen Überformung unter Friedrich Wilhelm IV. Eine vergleichsweise üppige Vegetation mit südländischen Kübelpflanzen, flankiert von zwei Schalenbrunnen, verbreitet auf der obersten Schlossterrasse südländisches Flair.
Über den Fotografen Wilhelm Andauer, von dem die Aufnahmen stammen, ist bisher wenig bekannt. Rogge hat in alten Potsdamer Adressbüchern recherchiert. Demnach war Andauer um 1885 mit seinem Atelier in der Yorkstraße ansässig. Allerdings handelt es sich bei dieser Straße nicht um die heutige Yorckstraße, sondern um einen verloren gegangenen Straßenzug östlich der Nikolaikirche. In einem Adressbuch von 1903 taucht Andauer mit seinem Atelier in der Alten Luisenstraße, der heutigen Zeppelinstraße, auf. Diese kargen Daten möchte Rogge nun gern mit Leben füllen und sich „auf Spurensuche“ begeben, wie er sagt.
Einige Bilder von Andauer werden im kommenden Jahr voraussichtlich erst einmal das Leben in 1 500 Haushalten und Unternehmen bereichern. Denn in dieser Auflage ist ein Kalender für das Jahr 2012 erschienen, den Rogge mit Schwarz- Weiß-Fotos aus dem Andauer-Album gestaltet hat. Selbst wer der Renaissance historischer Potsdam-Aufnahmen inzwischen vielleicht ein wenig überdrüssig geworden sein mag, kann hier Spannendes entdecken. Denn Rogge hat den Kalender mit viel Witz und Liebe zum Detail gestaltet und aus jedem Kalenderblatt eine Art Suchbild gemacht. So ist zum Beispiel auf dem Foto von circa 1890, das die oberste Sanssouci-Terrasse zeigt, ein Soldat mit Pickelhaube zu sehen. Auf dem 20 mal 30 Zentimeter großen Kalenderbild geht der Soldat mit seinen 1,5 Zentimetern inmitten der floralen Üppigkeit fast unter. Rogge hat ihn in doppelter Größe an den Rand des Kalenderblatts „gebeamt“. Grafische Raffinessen dieser Art sind auf allen zwölf Kalenderblättern zu bestaunen.
Der Kalender ist für 17,80 Euro unter anderem im PNN-Shop bei Karstadt erhältlich – und unter www.pnn.de/shop
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