
© M. Thomas
Von Antje Horn-Conrad: Ältere Semester
Mit über 50 nochmal in den Hörsaal: Die Universität startet ihren „Campus der Generationen“
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Brandenburg kommt in die Jahre. Längst hat sich die Alterspyramide auf den Kopf gestellt. Bedrohlich wirken die Szenarien des demografischen Wandels, und der Arbeitsmarkt beginnt, unter dem Mangel an Fachkräftenachwuchses zu leiden. Dabei schöpft Brandenburg sein vorhandenes Potenzial bei weitem nicht aus, vor allem nicht die Erfahrung, Kreativität und Leistungsfähigkeit der älteren Bevölkerung. Nicht einmal die Hälfte der über 55-Jährigen stehen noch im Berufsleben.
Die Universität Potsdam hat diese brachliegenden Kapazitäten erkannt. Mit ihrem am Mittwoch gestarteten „Campus der Generationen“ gibt sie erwerbslosen Akademikern jenseits der 50 die Möglichkeit, sich an der Hochschule fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Ein Semester lang können zunächst 13 fortgeschrittene „Studenten“ nach eigener Wahl Vorlesungen und Seminare besuchen, sich in ihrem Fachgebiet qualifizieren und neueste Forschungsergebnisse studieren. Daneben, und das ist das Besondere an diesem von Land und EU geförderten Innopunkt-Projekt, arbeiten sie gemeinsam mit jungen Studierenden an konkreten Aufgaben, die ihnen Praxispartner der Universität gestellt haben. Die für den Wissens- und Technologietransfer zuständige Gesellschaft UP Transfer, die den Campus der Generationen organisiert, hat Wirtschaftsunternehmen und Träger sozialer Einrichtungen aufgefordert, dringende und anspruchsvolle Projekte von den altersgemischten Teams bearbeiten zu lassen. Am Mittwoch nun wurden diese Aufträge übergeben.
Herbert Vogler von der Struktur- und Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Landkreises Teltow-Fläming mbH stellte die Aufgabe, ein touristisches Biathlonevent für den Skat- und Biathlonpark Jüterbog zu organisieren, und dies nicht einfach nur als sportlichen Wettkampf, sondern zugleich als Marketingveranstaltung. Eine Herausforderung für das fünfköpfige Team, aber auch eine Chance. Die jungen BWL-Studenten können auf diese Weise erste Praxiserfahrungen sammeln, und die älteren Semester werden wichtige Kontakte knüpfen, um nach ihrem Kurzstudium zügig eine neue Arbeit zu finden.
Weitere Aufträge kamen vom Bereich „Lebenswelten“ des Oberlinhauses, der für seine Arbeit mit Menschen mit Behinderung eine bessere Außendarstellung wünscht, sowie vom Potsdamer Unternehmen „Schickes Altern“, das Unterstützung bei der Koordination seiner vielen Seniorenprojekte benötigt. Dessen Geschäftsführerin Gisela Gehrmann bietet den Akademikern sogar an, sich in der Bildung und Gesunderhaltung älterer Menschen eine eigene berufliche Existenz aufzubauen.
Sabine Schulze, eine der 13 Kurzzeit-Studenten, könnte sich dies durchaus vorstellen. Hatte sie als Handelsökonomin bislang nur mit technischen Dingen zu tun, freut sie sich, jetzt im sozialen Bereich für andere Menschen tätig zu sein. Andererseits reizt es sie, mit zwei Studentinnen zusammenzuarbeiten, die so alt sind wie ihre eigenen Kinder. „Das hält jung, und vielleicht kann ich ihnen ja auch etwas davon mitgeben, wie ich selbst Berufstätigkeit und Familie unter einen Hut bekommen habe“, sagte sie am Mittwoch nach der ersten Begegnung mit den beiden jungen Frauen.
Die BWL-Studentinnen Katja Umhauer und Maria Graf scheinen keine Berührungsängste zu haben. Sie sind neugierig und brennen darauf, ihr theoretisches Managementwissen endlich in der Praxis erproben zu können. Die vierte im Team, die gestandene Chemikerin Jutta Rafler, betritt hingegen Neuland. Aber auch sie erhofft sich, viele Menschen kennen zu lernen und Kontakte zu knüpfen, die sie beruflich weiter bringen. Neben der Projektarbeit für „Schickes Altern“ wird man sie sicher des öfteren in Chemie-Vorlesungen antreffen.
An die älteren Semester im Hörsaal werden sich die Jungen gewöhnen. Die Qualifizierung von Fachkräften jedes Alters bleibt eine Daueraufgabe. Zunächst für zwei Jahre geplant, hat der „Campus der Generationen“ durchaus Zukunft.
Antje Horn-Conrad
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