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© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Am „Köhlerplatz“ entstand nie Holzkohle

Potsdam ehrt die Stalinismus-Opfer Erwin und Charlotte Köhler – mit der Umbenennung des Zimmerplatzes

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Innenstadt - Wenn heute der „Zimmerplatz“ in „Köhlerplatz“ umbenannt wird, dann nicht, weil dort „vor 300 Jahren Potsdamer Mischwald zu königlicher Grillkohle verbrannt“ wurde. Diese nicht ernst gemeinte Bemerkung zu einem sehr ernsten Thema notierte der Grafiker Bob Bahra in einem offenen Brief an Peter Schüler (B’90 Grüne), den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung. Eine „Unverschämtheit“ sei diese Art der Namensgebung, denn mit „Köhler“ ehrt Potsdam nicht etwa die Betreiber schwelender Meiler, sondern Erwin Köhler (CDU), den ersten Potsdamer Oberbürgermeister nach Kriegsende 1945, und dessen Frau Charlotte. Beide wurden wegen angeblicher Spionage vom stalinistischen Terrorapparat nach Moskau verschleppt, zum Tode verurteilt und 1951 hingerichtet. „Ein Justizmord“, sagt Richard Buchner, Vorsitzender des Gedenkstättenvereins KGB-Gefängnis Leistikowstraße.

Damit Erwin und Charlotte Köhler im kollektiven Gedächtnis bleiben, sollte der Platz wenigstens „Bürgermeister Köhler-Platz“ heißen, schlägt Bahra vor. Peter Schüler, als Stadtverordneten-Präsident zwar an den „Köhler“-Beschluss gebunden, favorisiert persönlich dennoch den Namen „Erwin-und-Charlotte-Köhler-Platz“.

Dr. Klaus Arlt, Potsdams Straßennamen- Experte, erinnert sich an die Debatte im Kulturausschuss. Der Zusatz „Bürgermeister“ wäre vielleicht besser. Doch es gehe auch um Charlotte, „die das gleiche eklige Schicksal erleiden musste“ wie ihr Mann. „Charlotte-und-Erich-Köhler-Platz“ jedoch wäre ein „ziemlich langer Wurm“ gewesen, so Arlt; der Name wäre viel zu lang für so einen so kleinen Platz. Der Begriff „Köhler“ soll nun auf einer Extratafel erklärt werden.

An der Winzigkeit des Platzes, auf dem sich lediglich ein Spielplatz befindet, stößt sich auch Bob Bahra, der den Stadtverordneten in seinem Brief an Peter Schüler „Agoraphobie“ vorwirft – Angst vor großen Plätzen. Schon der „Dr. Rudolf-Tschäpe-Platz“ – „ein wohnzimmergroßer Mittelpunkt des Kreisverkehrs vor der Erlöserkirche“ hätte doch besser „Dr. Rudolf-Tschäpe-Plätzchen“ heißen müssen. Bahra schlägt stattdessen vor, die banal mit „Am Havelblick“ benannte Straße den Köhlers zu widmen. Besser aber wäre noch, eine Schule nach ihnen zu benennen. Auch als Ehrenbürger käme Erwin Köhler in Betracht. Platz auf der Ehrenbürgerliste könne geschaffen werden, schließlich stehe dort etwa noch „Gardeoberst Acktschurin“. Das sei „ein Phantom“, über den niemand Genaues weiß; der aber, wenn es hochkommt, sogar die Deportationsurkunde der Köhlers unterschrieben haben könnte, mutmaßt Bahra.

Richard Buchner, promovierter Zeithistoriker, hatte selbst zunächst vorgeschlagen, die Breite Straße nach den Köhlers zu benennen. Das sei aber vielen „zu prominent“ gewesen. Die heutige Ehrung komme Buchner zufolge „20 Jahre zu spät“; sie hätte spätestens nach der Rehabilitierung der Köhlers 1992 geschehen müssen. Nach 1945 wurde die Ost-CDU Buchner zufolge „systematisch kaputt gemacht“. Die Köhlers wurden ermordet, Wilhelm Wolf, Vorsitzender der CDU Brandenburg, erlitt einen tödlichen Verkehrsunfall, Georg Dertinger (CDU), erster Außenminister der DDR, saß elf Jahre im Zuchthaus Bautzen. Guido Berg

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