
© Nestor Bachmann
Landeshauptstadt: Am Thema vorbei erzählt
Zeitzeugen erinnerten an Gründung der SDP
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Wer in einer Prüfungsarbeit am Thema vorbei schreibt, für den wird das hinterher ziemlich unangenehm. Und wer am Dienstag im Gemeindesaal der Potsdamer Erlöserkirche die Podiumsdiskussion zum Thema „Die Gründung des SDP-Bezirksverbandes Potsdam“ verfolgte, der dürfte von der Veranstaltung zwar nicht unangenehm berührt gewesen sein – zu spannend sind die Geschichten aus dem revolutionären Herbst von 1989. Aber am Thema vorbei erzählt wurde trotzdem in weiten Teilen dieses Rückblicks, zu dem die Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Erlöserkirchengemeinde eingeladen hatte. Die Diskussion war ein wortreicher Ritt durch das letzte Jahr jenes deutschen Staates, der zwar die Demokratie in seinem Namen trug, aber alles andere als demokratisch war und am 3. Oktober 1990 beerdigt wurde.
Martin Kwaschik, bis vor einem Jahr Pfarrer an der Erlöserkirche, erinnerte sich an die große Potsdamer Demo vom 7. Oktober 1989, deren Mitorganisator er war. „Nahe am Durchfall“ sei er damals vor Aufregung gewesen. Man habe einfach nicht gewusst, wie die Staatsmacht reagieren würde. Mit Steffen Reiche, damals wie heute Pfarrer, zwischendrin Berufspolitiker, war auf dem Podium am Dienstag ein Gründungsmitglied der SDP zu Gast. Er war dabei, als die Sozialdemokratische Partei der DDR am 7. Oktober 1989 im Pfarrhaus von Schwante gegründet wurde. Bereits im Januar 1990 habe sich die SDP auf der Delegiertenkonferenz im Haus des Lehrers am Berliner Alexanderplatz in SPD umbenannt, sagte Reiche. Es sei zu befürchten gewesen, die herrschende SED könne sich in Sozialistische Partei Deutschlands umbenennen – und dann das Kürzel SPD für sich beanspruchen.
Ach ja, zum eigentlichen Thema der Diskussion, der Gründung des SDP-Bezirksverbandes, erfuhr man am Dienstag auch noch etwas: Jes Möller, heute Präsident des brandenburgischen Verfassungsgerichts, damals ein Mann der allerersten Stunde bei der Potsdamer SDP, berichtete vom Kontaktbüro in den Kirchenräumen des Babelsberger Pfarrers Stephan Flade. Dort nahm Möller Verbindung zu Gleichgesinnten auf. Die junge Partei wollte raus an die Öffentlichkeit, mit einem eigenen Programm. Für die Gründung des Bezirksverbandes suchte man noch nach einem geeigneten Raum. „Unser Selbstverständnis war so, dass wir gerade nicht in kirchliche Räume wollten“, so Möller. Aus praktischen Gründen sei es dann aber doch so gekommen: Am 8. November 1989 gründete sich im Gemeindesaal der Erlöserkirche der Potsdamer Bezirksverband der SDP. Holger Catenhusen
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