Landeshauptstadt: An den Gräbern
Jugendliche aus sechs Nationen arbeiten auf dem Soldatenfriedhof in Halbe
Stand:
Was Paul Stollberg, Joachim Paech, Erhardt Binkowski und viele andere Namen gemeinsam haben, sehen Corinna Neumann und rund 25 andere Jugendliche zur Zeit jeden Tag. Die Männer sind zwischen 1925 und 1928 geboren, im April 1945 gestorben und liegen nun auf dem Soldatenfriedenhof in Halbe. In der Kesselschlacht vor Ort sind sie im April 1945 gefallen, zusammen mit rund 50 000 anderen Soldaten auf deutscher und sowjetischer Seite. Seit dem 17. Juni pflegen nun Jugendliche aus damals verfeindeten Staaten gemeinsam die Gräber der toten Soldaten. Die 20-jährige Corinna ist die einzige Potsdamerin, die bei dem Projekt des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge mit dabei ist – sie ist die Teamleiterin: „Ich habe vor vier Jahren auch bei so einem Projekt in einem anderen Land angefangen, weil ich günstig dorthin fahren wollte – und fand es so interessant, dass ich bei der Kriegsgräberfürsorge geblieben bin.“
Die Jugendlichen, die sie nun betreut, kommen aus Belarus, Moldawien, Russland, der Ukraine, Polen und Deutschland. Bis zu 50 Euro kostet der Platz für die ausländischen Helfer. Ihr Ziel ist der 29. Juli: Dann werden um 14 Uhr weitere in der Schlacht bei Halbe gefallene Soldaten in einer feierlichen Zeremonie beigesetzt. „In den Wäldern der Umgebung werden immer noch Tote von damals gefunden, weil sie oft einfach verscharrt werden“, sagt Gunter Butzmann vom Landesverband der Kriegsgräberfürsorge. Doch die Jugendlichen bereiten nicht nur dieses Begräbnis vor: Mit schwarzen Edding-Stiften zeichnen sie Grabinschriften nach oder verlegen neue Grabplatten. Nach den vier Stunden Arbeit pro Tag fahren sie in Museen, nehmen an Geschichtsprojekten teil oder verbringen laut Corinna einfach Zeit miteinander: „Man kann Freundschaften fürs Leben schließen.“
Gleichzeitig würden die Teilnehmer die verschiedenen Sichtweisen auf den Nationalsozialismus und die gemeinsame Geschichte kennen lernen und vergleichen können – und ganz praktisch erfahren, was Krieg bedeuten kann. Denn vieles, so sagt Corinna, könne man eben nur direkt auf dem Friedhof spüren. „Die meisten jungen Soldaten wussten nicht einmal, wie sie sich zum eigenen Schutz eingraben sollten“, sagt die Studentin.
Nächstes Jahr soll ein ganz ähnliches Projekt in Potsdam stattfinden. 6000 Kriegsgräber gibt es in der Landeshauptstadt. Corinna Neumann wünscht sich dafür noch mehr jugendliche Helfer, die sich wie sie ehrenamtlich engagieren: „Das ist wichtige Arbeit für den Frieden, weil der nicht von alleine kommt.“ Henri Kramer
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: