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Landeshauptstadt: „Angie, Angie, Angie!“

Kaum Zwischenfälle, viel Beifall, aber auch Buh-Rufe: 1000 Potsdamer bei Merkel

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Kaum Zwischenfälle, viel Beifall, aber auch Buh-Rufe: 1000 Potsdamer bei Merkel Innenstadt - Ihre ersten Worte richtete Angela Merkel an ihre jungen Kritiker. An „die da hinten“, die die Polizisten nicht durch die Absperrungen rund um das Brandenburger Tor gelassen hatten und laut buhten und pfiffen, als sich die Kanzlerkandidatin kurz nach 17 Uhr an das Rednerpult stellte. Die Schreier sollten sich doch an die Zeit vor 15 Jahren erinnern: „Da hätten Sie das nämlich gar nicht gedurft.“ Beifall auf dem Platz, Eins zu Null für Merkel. Einer der jungen Buh-Rufer, der es in die abgesperrte Zone geschafft hatte, konnte das schon nicht mehr hören. Er war gerade von einem muskulösen Ordner im Karo- Hemd zu Boden gerissen und wieder hinter die Zäune gebracht worden. Es blieb der einzige Vorfall dieser Art. Nein, keine Krawalle gegen Merkel, kein Hexenkessel wie bei Edmund Stoiber 2002, dessen Auftritt vor 250 Teilnehmern im „roten Potsdam“ von einer Gegendemonstranten-Mehrheit – Fußballsirenen und fliegende Bierbecher inklusive – quasi gesprengt wurde. Nein, die meisten wollen Angela Merkel hören, die Frau, die wahrscheinlich neue Kanzlerin sein wird. Ihre Stimme schallt kräftig über den Platz. Zuvor hatte selbst die Rede von Innenminister Jörg Schönbohm über das Zusammenwachsen Deutschlands und den „Spalter Oskar Lafontaine“ im Mittelfeld innerhalb der Absperrung – vielleicht zwei Drittel CDU-Parteivolk, ein Drittel Fremde stehen hier - immer wieder Applaus erhalten. Hier ist die Stimmung gut, hier sind fast alle einer Meinung. Ältere Damen – in dezentem Orange, der neuen Modefarbe der Union, gekleidet – schwenken Angie-Schilder und die Hüften, als wollten sie gleich Samba mit Angela Merkel tanzen. Die Jungen-Unions-Mitglieder, die sich im kleinen Block dicht vor die rund 50 Protestierer stellen, haben es etwas schwerer: „Angie“ kreischen sie inbrünstig gegen Rufe wie „Merkel in die Havel, Schluss mit dem Geschwafel!“ an. So paralysiert man – auch die SPD hat dies schon praktiziert – Störungen von Kundgebungen. Ungefähr 1000 Menschen kamen, um Merkel zu erleben. Die Kandidatin argumentiert ruhig, wählt einfache Vergleiche – über die Staatsverschuldung, über das Bildungssystem und über Paul Kirchhofs Steuer-„Visionen“. Sie erklärt, warum die Erhöhung der Mehrwertsteuer nötig sei - „auch wenn das keine Begeisterung hervorrufen wird.“ Politik müsse auch vor Wahltagen ehrlich sein und nötige Veränderungen sofort anpacken. Auch die frühere Kohlregierung – in der sie Ministerin war – sei davor zurückgeschreckt. Selbstkritik, auch das kommt an. Dann der Abgang, zum Rolling-Stones-Song „Angel“. Als sie längst weg ist, sagt ein CDU-Politiker zufrieden: „Unsere beste Veranstaltung im roten Potsdam seit Jahren!“

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