Von Jan Brunzlow: Angriffslustig
Beim PNN-Talk streiten die Kandidaten des Wahlkreises 22 um Mindestlohn und Bildung
Stand:
Es war ein wahrlich unerwarteter Showdown: Zwei Stunden lang haben sich die Kandidaten bei der Diskussionsrunde von Potsdam TV und den Potsdamer Neuesten Nachrichten am Mittwochabend beharkt, bekämpft und auch beleidigt. Es war die rhetorische Würze, die dem Landtagswahlkampf in Potsdam bislang gefehlt hat – diesmal gab es sie nicht zuletzt dank eines kampfbereiten Steeven Bretz’. Der im Potsdamer Süden nahezu chancenlose CDU- Kandidat hatte nach der Anmoderation durch PNN- Chefredakteur Michael Erbach und Potsdam TV-Chefredakteur Oliver Geldener angekündigt, an diesem Abend Tacheles reden zu wollen. Er hielt sein Versprechen und stänkerte – wie die anderen Kandidaten Mike Schubert (SPD), Marcel Yon (FDP) und Jürgen Stelter (Bündnisgrüne) auch – vor allem gegen die Linke.
Lange hatte sich Hans-Jürgen Scharfenberg (Linke) auf die Lippen gebissen, nachdem Bretz ihm Augenwischerei und Wählerbetrug vorgeworfen hatte. Vor allem bei der Bildungspolitik und dem Mindestlohn gingen die Meinungen weit auseinander. Die Reaktion des Landtagsabgeordneten: „Sie sind ein Meister der hohlen Sprüche. Sie sind bekannt für ihren Stuss.“ Bretz hatte den Favoriten des Wahlkreises 21 gereizt und ihn zu solchen Äußerungen provoziert. Auslöser waren letztlich die Meinungsverschiedenheiten zum Mindestlohn. Scharfenberg und die Linke wollen einen flächendeckenden – Bretz und die CDU nicht. Es war nicht das erste Streitthema, aber das lauteste.
Ein geschickt durch die Moderatoren gesetztes Vorurteil zum Thema Bildungspolitik, alle würden mehr Lehrer und bessere Betreuung in den Kitas fordern und sich ähneln, brachte den erhofften Widerspruch und Streit zwischen den Kandidaten. Scharfenberg möchte künftig die Anzahl der Freien Schulen begrenzen und eine Mitsprache der Gemeinde, was zu Widerspruch bei CDU und FDP führte. „Immer wenn sie nicht weiterwissen, wollen sie quotieren und bestimmen“, sagte Bretz. Und Yon erklärte, es „gibt nicht das perfekte System“. Aber alle Kinder seien unterschiedlich und „so reichhaltig sollte auch die Bildungslandschaft sein“. Jürgen Stelter warf der Landesregierung eine verfehlte Politik vor. Er, selbst Lehramtsstudent in Potsdam, sieht den künftigen Bedarf an Lehrern kaum noch zu decken. Die Regierung habe es versäumt, Lehrer einzustellen. Zudem würden künftig weder genug Absolventen noch genug Referendariatsstellen zur Verfügung stehen.
Es war eine illustre Runde mit zahlreichen Gästen der Landtagskandidaten – darunter die Bundestagsabgeordnete Katherina Reiche – und ein anderer Wahlkampf als beim Talk vor einer Woche, als die vier Frauen aus dem Wahlkreis 22 und Wieland Niekisch diskutierten. Ob das allein am geballten Testosteron in diesem rein männlichen Kandidatenduell liegt?
Am Ende der Veranstaltung sind selbst Rot-Rote-Koalition nahezu ausgeschlossen worden. Wer miteinander regieren will, müsse vernünftig miteinander umgehen, sagte Schubert. Dies sieht er bei den Linken mit Scharfenberg derzeit nicht. Und auch Scharfenberg sagte, inhaltlich würde es mit der SPD passen, derzeit weise allerdings einiges darauf hin, dass die Linke eine „starke Opposition bildet“. Er bestritt, in Potsdam ein Rot-Rotes Bündnis verhindert zu haben – da zischte selbst das Wort Lügner aus einem der Mikrofone durch die Wilhelmgalerie.
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