Landeshauptstadt: Anlass zum Aufatmen
Heute vor 25 Jahren tagte das erste frei gewählte Stadtparlament im Stadthaus. Das Jubiläum wurde am Freitagabend gefeiert
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Innenstadt - Begonnen hat damals alles mit einer Schweigeminute: Für eine PDS-Abgeordnete, die ihr Mandat in der ersten frei gewählten Potsdamer Stadtverordnetenversammlung nicht mehr antreten konnte, weil sie gestorben war. Am 30. Mai 1990 kam im Plenarsaal des Stadthauses zum ersten Mal das Stadtparlament zusammen. Das 25. Jubiläum wurde am gestrigen Freitagabend im Stadthaus mit einer Feierstunde begangen – und zur Einstimmung half ein TV-Nachrichtenbeitrag von damals der Erinnerung der Anwesenden an die Premiere seinerzeit auf die Sprünge. Lacher gab es während des Einspielers nicht nur beim Wiedererkennen des einen oder anderen Abgeordneten in zeittypischer Dauerwellenfrisur oder mit Schnurrbart, auch die ersten Worte des 1990 zum ersten Stadtpräsidenten gewählten SPD-Politikers Helmut Przybilski sorgten für allgemeine Heiterkeit unter den Fest-Gästen: Das Stadtparlament, hatte Przybilski damals gefordert, dürfe „kein Podium für Profilierungssucht“ werden. In diesem Punkt sind die Stadtpolitiker von heute offenbar abgeklärter.
Eingeladen zur Feier waren nicht nur die Abgeordneten von damals und heute – 1990 war das Parlament mit 115 Mitgliedern noch gut doppelt so groß wie heute –, sondern auch die Oberbürgermeister der vergangenen 25 Jahre. Horst Gramlich und Hans-Joachim Bosse konnte der amtierende Rathauschef Jann Jakobs (SPD) begrüßen – nur Matthias Platzeck blieb der Feierstunde fern, weil er an höherer Stelle gebraucht wurde. „Er schlichtet – wo genau, lässt sich nicht sagen“, erklärte die Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Birgit Müller (Linke). Platzeck ist bekanntlich Vermittler im Tarifstreit zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Bahn.
Jakobs erinnerte in seiner Rede an die Aufbruchstimmung der ersten Sitzungen und bedankte sich bei den Stadtverordneten für ihr ehrenamtliches Engagement. Aber nicht ohne Seitenhieb: „Für die Länge der Stadtverordnetenversammlung empfinde ich weniger Mitleid – denn das ist ein selbstverschuldetes Schicksal.“ Jakobs erinnerte an Beschlüsse, die Potsdam mit auf den Weg vom als „Jammerhauptstadt des Ostens“ verschrieenen Ort zur „strahlenden Landeshauptstadt“ brachten. Er wünsche den Stadtverordneten „durchdachte Vorschläge, eine Potsdam angemessene Diskussionskultur und den Mut, zum richtigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung zu treffen“.
Die großen Diskussionen, die im Plenarsaal seit 1990 geführt wurden, die manchmal mehr, manchmal weniger mühsam erstrittenen Entscheidungen, die dort gefallen sind – sie kamen am Freitag mit einem Fotorückblick ganz ohne Worte aus: Landtagsschloss in der Mitte und Theaterneubau am Tiefen See, ein neues Stadtviertel im Kirchsteigfeld und die Sanierung des Holländischen Viertels, Karstadt-Ansiedlung, Stern-Center und Porta-Möbelhaus, das 1000. Stadtjubiläum 1993 oder die Bundesgartenschau.
Umso wortreicher war dann der Auftritt von Hans-Jochen Röhrig: Das langjährige Ensemblemitglied des Hans Otto Theaters gab in Zopfperücke und glänzender Weste den Grafen Lehndorff. Weil der geschwätzige Kammerherr von Preußenkönigin Königin Elisabeth Christine, der Gattin von Friedrich II., im Stadthaus eigentlich noch nie etwas zu schaffen hatte, musste er von Jann Jakobs und Birgit Müller in die Gegebenheiten der Demokratie und des modernen Lebens eingeführt werden. Das Trio holperte sich durch das Manuskript – mit Gasteinlagen von Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg in der Rolle des vergnatzten Oppositionsführers, SPD-Politiker David Kolesnyk als ambitionierter Jungspund des Stadtparlaments und Filmparkchef Friedhelm Schatz als erfindungs- und erfolgreicher Unternehmer – oder „unser Schätzchen“, wie er von Jakobs vorgestellt wurde.
Der Oberbürgermeister stellte auch Anlass zum Aufatmen in Aussicht: Bei der Sanierung des Stadthauses, für die in den kommenden Jahren insgesamt 30 Millionen Euro ausgegeben werden sollen, sei auch eine Lüftung für den Plenarsaal geplant. „Ich fürchte nur, das trägt nicht zur Kürze der Sitzungen bei.“
Zumindest die erste Sitzung sei gar nicht so lang gewesen, sagte der damalige Stadtpräsident Helmut Przybilski den PNN. Der Chemiker, der sich schon zu DDR-Zeiten in der evangelischen Kirche engagiert hatte, brachte von der Kreissynode Erfahrungen mit demokratischen Strukturen und Sitzungsleitung mit. „Vor der Sitzung selbst war ich aber sehr aufgeregt“, erinnnerte er sich. Als eine Sternstunde des Stadtparlaments hat er die Sitzung am Mittwoch, dem 3. Oktober 1990, in Erinnerung. Am Tag der Deutschen Einheit tagte das Potsdamer Stadtparlament mit Gästen aus Bonn und Berlin-Zehlendorf – diskutiert wurde über die Geschäftsordnung, die Partnerstädte und die Zukunft Potsdams: „Es ging darum, die militärischen Liegenschaften einer zivilen Nutzung zuzuführen.“
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