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Landeshauptstadt: „Antibiotika werden zu schnell verabreicht“

Die Potsdamer Biologin und Geschäftsführerin der Ripac-Labor GmbH Dagmar Köhler-Repp über ihr aktuelles Forschungsprojekt, das die weitere Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime stoppen soll. Der Bund fördert das Vorhaben mit 1,6 Millionen Euro

Stand:

Frau Köhler-Repp, für ein Verbundprojekt im Kampf gegen die weitere Ausbreitung antibiotikaresistenter Keime hat Ihr Labor zusammen mit anderen Partnern aus der Forschung und Praxis vom Bund heute eine 1,6-Millionen-Euro-Förderung erhalten. Warum ist die Ausbreitung dieser Keime so problematisch?

Die Ausbreitung der Keime kann gefährlich werden, wenn Erreger auf Menschen übertragen werden und dort Infektionen verursachen. Antibiotikaresistente Keime sind schwer zu behandeln. Das Problem ist, dass die Patienten auf eine Behandlung mit Antibiotika nicht mehr ansprechen. Besonders gefährdet sind immungeschwächte Patienten, Kinder und alte Menschen. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass am Ende der Patient verstirbt.

Die Grünen haben in mehreren Wurstproben aus Brandenburg diese Keime nachgewiesen und machen dafür die Massentierhaltung verantwortlich. Zu Recht?

Die nachgewiesenen Keime darf man nicht verharmlosen. Pauschal sollte man aber nicht die Massentierhaltung allein für die Ausbreitung verantwortlich machen. Auch bei der Herstellung und Verarbeitung von Lebensmitteln kann es zu Eintragungen und Kontaminationen kommen. Beispielsweise, wenn in dem entsprechenden Betrieb Menschen arbeiten, die schon Träger solcher Keime sind. Außerdem werden auch in der Humanmedizin oft vorschnell Antibiotika verabreicht. Der Einsatz von Antibiotika muss grundsätzlich reduziert werden.

Welche Wege der Übertragung auf den Menschen gibt es?

Das Problem ist: Keime kommen einfach überall im Alltag vor. Die genauen Ursachen müssen noch mit wissenschaftlicher Präzession ermittelt werden. Auch der Zusammenhang zwischen Tierhaltungsform und Tiergesundheit muss weiter erforscht werden.

Sie beschäftigen sich schon länger mit Alternativen zum flächendeckenden Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung. Um was geht es in dem neuen Forschungsprojekt?

Unser Projekt heißt „InnoVak4Dart“. Es geht um die Entwicklung neuartiger Impfstoffe für Nutztiere. Mit verbesserter Wirkung und vereinfachter Verabreichung. Dabei arbeiten wir mit vier weiteren Partnern zusammen, unter anderem der Universität Potsdam.

Wie lange soll das Projekt laufen und was passiert davon in Potsdam?

Das Projekt ist auf insgesamt drei Jahre angelegt. Das Ripac-Labor ist der Koordinator des Projekts und bei uns wird natürlich auch ein Großteil der entsprechenden Experimente durchgeführt. Da auch die Universität Potsdam als Verbundpartner vertreten ist, werden hier am Standort Golm wesentliche Arbeiten erfolgen. Am Ende haben wir dann hoffentlich einen neuartigen Impfstoff.

Was wird das Neuartige sein und wie lange dauert es, bis das Medikament auf dem Markt ist?

Bestandsspezifische Impfstoffe, wie wir sie auch herstellen, müssen bisher jedem einzelnen Tier per Injektion verabreicht werden. Dies bedeutet vor allem beim Geflügel einen besonderen Aufwand und verursacht auch einen gewissen Stress bei den Tieren. Die Anwendung unserer Impfstoffe ist daher in manchen Tierbeständen nicht praktikabel oder wird auf ein nötiges Maß begrenzt. Im Rahmen unseres Forschungsvorhabens wollen wir eine Methode entwickeln, die es erlaubt, auf eine Nadelinjektion zu verzichten. Dadurch könnten in Zukunft Impfstoffe noch häufiger eingesetzt werden und es würden auch solche Tierbestände geimpft werden können, in denen sich der hohe Aufwand einer Nadelimpfung aus wirtschaftlichen Gründen bisher nicht lohnt und stattdessen auf den Einsatz von Antibiotika zurückgegriffen werden muss. Sollten unsere Forschungsergebnisse positiv verlaufen, könnte unsere Neuentwicklung in etwa drei bis vier Jahren für den Markt verfügbar sein.

Die Grünen kritisieren auch, dass die Verwendung von Antibiotika in der Tierhaltung nicht genügend kontrolliert wird. Ist die Überwachung auch aus Ihrer Sicht nur mangelhaft? Was muss verbessert werden?

In der Vergangenheit gab es da sicher einiges zu verbessern. Aber mittlerweile werden die Systeme, die die Antibiotika-Verabreichung in der Tierhaltung erfassen, ausgebaut. Ein wesentlicher Beitrag zur Senkung der Entstehung weiterer Resistenzen ist der fachgerechte therapeutische Einsatz und dazu leisten Maßnahmen zur Fort- und Weiterbildung sowie die Forschung selber einen wichtigen Beitrag.

Das Interview führte Matthias Matern

Dagmar Köhler-Repp (39) ist Geschäftsführerin der Ripac-Labor GmbH in Potsdam. Für die Gründung des Labors wurde sie in diesem Jahr zur „Unternehmerin des Landes Brandenburg“ gekürt.

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