Landeshauptstadt: Anwärter auf den zwölften Schlips
Greg Wilcox, Weltmeister-Segler vom anderen Ende der Welt, baut seit sechs Jahren Segel in Potsdam
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Nauener Vorstadt - Er hat einen Widersacher. Der segelt „mit einem Messer zwischen den Zähnen“, sagt seine Mitgesellschafterin Juliane Hofmann. Doch Greg Wilcox bleibt stets ruhig. So wie er jetzt in einem Korbstuhl sitzt, leicht zurückgelehnt, und über den Jungfernsee schaut, so sei er schon immer gewesen, die Verkörperung der freundlichen Souveränität. „Ich weiß auch, wo er das hernimmt, aber wenn es knapp wird, schafft er es doch!“ Wilcox lächelt nur und sucht seinen Kater Bert nach Zecken ab. Wie heißt das auf englisch, ohne ähnliche Entsprechung im Deutschen? „Pay your money, take your chance.“
Wilcox stammt aus Wellington, Neuseeland. Der 50-Jährige segelt, seit ihn sein Nachbar das erste Mal mit rausnahm auf die See. Fünf Mal hat er die Kieler Woche gewonnen, in zwei verschiedenen Bootsklassen. Fünf Mal gewann er die neuseeländischen Meisterschaften. 2002 wurde er mit der OK-Jolle Weltmeister. Jeder, der beim WM-Segeln unter die Top-Ten kommt, erhält einen Schlips. Wilcox hat elf Schlipse. „Er strahlt Autorität aus“, erzählt Juliane Hofmann, mit der Wilcox in der Bertinistraße eine Segelbaufirma betreibt. Da er auch Schiedsrichter beim olympischen Segeln ist, kenne er die Regeln sehr genau und das wüssten auch die Kontrahenten.
In Potsdam lebt Wilcox seit sechs Jahren. Es gefällt ihm an der Havel, er will bleiben, auf jeden Fall. Das gepachtete Ufergelände am Jungfernsee, darauf das Haus, das Platz bietet für den großen Schneidetisch für die Segel, soll verkauft werden. Sie sind gut in dem, was sie machen. Juliane Hofmanns und Greg Wilcoxs Quantum-Segel treiben bereits Boote in sechs Klassen an. Die Liste der Titel, die mit Quantum-Segel errungen wurden, ist lang. Am Einstieg in die siebte Bootsklasse arbeiten sie: Derzeit entwickeln sie den Prototyp für ein neues Segel der 505er Klasse – das sind Boote mit über fünf Meter Länge. Einer dänischen Firma, die seit Jahrzehnten Platzhirsch ist im Segelbau, laufen die beiden gerade den Rang ab. „Wir knacken jetzt den deutschen Markt“, sagt Juliane Hofmann selbstbewusst. Doch „reich“, ergänzt Wilcox, „wird man davon nicht“. Ein Grundstück dieser Größe kaufen, in dieser Lage, können die beiden nicht.
Dabei ist der Ort ideal. Die vom Wann- see herübersegelnden kaufkraftstarken Berliner kommen bis an die Bertinistraße, ohne den Mast legen zu müssen, um unter einer Brücke durchzukommen. Eine Annäherung an die Potsdamer Segler sei aber denkbar, erläutert Juliane Hofmann. Dann wäre ein Umzug auf die Insel Hermannswerder naheliegend. Voraussetzung wäre ein geeignetes Grundstück.
Am heutigen Donnerstag brechen die beiden Potsdamer Segler auf zur Warnemünder Woche. Wenn nichts dazwischen kommt, ist sich Juliane Hofmann sicher, wird ihr Kompagnon mit der OK-Jolle vorn liegen. Wilcox lächelt und lobt den Wind, der recht kräftig über den Jungfernsee streicht. Im vergangenen Jahr mussten sie bei Rekordhitze stundenlang auf eine Brise warten. Die OK-Jollensegler galten früher als „die jungen Wilden“. Da können auch ganz normale Leute mitmachen, die noch einem ganz gewöhnlichen Job nachgehen. „Segeln ist sonst schon sehr elitär“, sagt Juliane Hofmann. Wobei – Wilcox ist 50, wie lange kann er noch an der Spitze mithalten?
„Nächste Frage“, sagt Wilcox und winkt ab. Immerhin, es gibt einen 67-jährigen Dänen, den alle nur den „alten Mann“ nennen und der immer noch vorn mitmischt. Beim Segeln ist „viel Gehirn“ im Spiel, wichtig ist eine große Erfahrung und das „Handling“, erzählt Juliane Hofmann, die schon einmal deutsche Vizemeisterin mit der OK-Jolle wurde.
In eineinhalb Wochen starten die Weltmeisterschaften in Schottland. Wilcox nimmt teil und freut sich – auch auf eine Runde Golf mit einem Freund. Vielleicht findet er auch Zeit, in „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ zu blättern, denn Bücher von John Irving liest er gern. Vielleicht aber bindet sich Wilcox in Schottland auch den zwölften Schlips.
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