
© A. Klaer
Groß Glienicke: Äpfel mit B-Plänen
Eine Potsdamerin hat gegen die Stadt geklagt. Diese konnte sich mit einem Vergleich aus der Affäre ziehen.
Stand:
Groß Glienicke/Berlin - Eine Groß Glienickerin kann weiter auf ihrem Grundstück Obst und Gemüse anbauen, und die Stadt Potsdam behält im Gegenzug einen wirksamen Bebauungsplan – das ist der etwas ungewöhnlich klingende Kompromiss, auf den sich die Landeshauptstadt am Donnerstag vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg einlassen musste. Denn die Richter hatten Mängel an dem Bebauungsplan für den Bereich rund um den Rewe-Supermarkt an der Bundesstraße 2 festgestellt – eine Schlappe für die Stadt, die für die Erstellung dieser Pläne verantwortlich ist.
Die Richter des 2. OVG-Senats ließen in der Verhandlung wenig Zweifel daran, dass sie den B-Plan mit der Nummer 21 für das mehr als 100 Hektar große Areal wegen inhaltlicher Mängel für rechtswidrig halten. Denn in dem Verfahren ist es aus ihrer Sicht zu groben handwerklichen Fehlern gekommen. Im Zentrum der Kritik steht dabei das 2015 eröffnete Einkaufszentrum unweit des Kreisverkehrs an der B2. Dort sind unter anderem Rewe, dm, Takko und Mäc Geiz beheimatet – und nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes wäre sogar auch noch einiges mehr möglich.
Bei der Planung dieses im B-Plan festgeschriebenen Versorgungszentrums hätte die Stadt ermitteln müssen, welche Kaufkraft dieses Gebiet möglicherweise aus dem benachbarten Berlin zieht, wenn es komplett ausgebaut ist. Erst dann könne sie es im Abwägungsbeschluss „wegwägen“ – also Bedenken verwerfen. Darauf, was sich hinter der Stadtgrenze in Kladow und auf dem früheren Flughafen Gatow entwickelt hat und welche Auswirkungen das neue Einkaufszentrum in Groß Glienicke darauf hat, sei aber nicht geachtet worden, so das Gericht. Dies hätte zum Beispiel dazu führen können, dass Flächen- oder Sortimentsbeschränkungen festgelegt werden müssen.
Eine, die immer wieder Bedenken gegen das aus ihrer Sicht zu große Einkaufszentrum geäußert hatte, ist Gudrun Ziesak. Sie wohnt in vierter Generation in Groß Glienicke, wie sie sagt, in einem Haus auf einem lang gezogenen Grundstück – im hinteren Teil baut sie das bereits erwähnte Obst und Gemüse an. Doch nun wollte die Stadt eine sogenannte Grundstücksumlegung durchführen, um attraktivere und besser geschnittene Bauflächen zu schaffen. Als unattraktiv wurde zum Beispiel Gudrun Ziesaks Grundstück eingestuft, eben weil es lang und schmal ist. Im hinteren Teil baut sie eben „nur“ Obst und Gemüse an, für ein weiteres Haus ist es zu schmal.
Statt ihres lang gezogenen, 1500 Quadratmeter großen Grundstücks sollte Ziesak laut B-Plan zwei räumlich getrennte Flächen mit insgesamt 1300 Quadratmetern bekommen. Nicht nur, dass ihr so 200 Quadratmeter abhanden gekommen wären – Gudrun Ziesak hätte auch sogenannte Erschließungsbeiträge zahlen müssen. Das hätte sie nicht leisten können, sagt sie. Eines der beiden neuen Grundstücke hätte sie also wahrscheinlich zu Geld machen müssen.
Also strebte sie eine sogenannte Normenkontrollklage an – weil sie von dem B-Plan persönlich betroffen ist, stand ihr dies zu. Wegen ihres schmalen Geldbeutels hatte sie dafür Prozesskostenhilfe beantragt. Bei der Verhandlung vor Gericht ging es nun zwar kaum um ihr Grundstück. Doch das Einkaufszentrum, dessen Größe Gudrun Ziesak auch bei der Auslegung des B-Plans immer wieder moniert hatte, kam ihr nun sozusagen zugute.
Denn nachdem das Gericht seine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des B-Plans wegen der fehlenden Ermittlungen zur Kaufkraft vorgebracht hatte, boten die anwesenden Vertreter der Stadt einen Vergleich an: Gudrun Ziesak darf ihr Grundstück behalten, dafür bleibt der B-Plan unangetastet. Das Gericht willigte ein. Potsdam sei „mit einem blauen Auge“ davongekommen, sagte die Vorsitzende Richterin Dagmar Merz anschließend. Schließlich hätte ein neuer B-Plan hohe Kosten für die Stadt verursacht.
Von der Stadtverwaltung hieß es auf PNN-Anfrage, man sei mit dem Vergleich zufrieden – schließlich bleibe der B-Plan erhalten und das Umlegungsverfahren der Grundstücke spare man sich auch. Als Schuldeingeständnis wollte man den angebotenen Vergleich nicht gewertet wissen. Sehr wohl seien Gutachten über den Einfluss auf die Kaufkraft rund um das geplante Einkaufszentrum angefertigt worden, so ein Sprecher. Der Berliner Bezirk Spandau wie auch die Regional- und Landesplanung seien beteiligt worden. Spandau habe tatsächlich in einer Stellungnahme Bedenken geäußert, nach Abwägung habe man das Nahversorgungszentrum aber dennoch als zulässig betrachtet – zumal Groß Glienicke in Zukunft vermutlich weiter wachse. Allerdings sei diese Abwägung „nicht ausreichend dokumentiert“ gewesen, so der Sprecher. Ob die Dokumente fehlen oder nur dem Gericht nicht vorlagen, konnte er nicht sagen.
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