
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Arbeiten mit Handikap
Die Aktiva-Werkstätten auf Hermannswerder feiern ihr 20-jähriges Bestehen
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Hermannswerder - Voller Konzentration beugt sich Frank über einen alten Holzstuhl. Behutsam fädelt der junge Mann ein Flechtrohr durch die fragil wirkende Sitzfläche der hölzernen Antiquität. Hin und wieder taucht er seine linke Hand in einen Wassereimer und bestreicht das Flechtwerk, an dem er gerade arbeitet, mit Wasser. „Damit es nicht bricht“, sagt Frank. Breche es doch einmal, müsse er das Flechtrohr wieder herausziehen und den Arbeitsgang noch einmal von vorn beginnen. Frank ist einer von fast 400 Menschen mit Behinderung, die in den Aktiva-Werkstätten auf Hermannswerder arbeiten.
Am heutigen Freitag begehen die Werkstätten ihr 20-jähriges Bestehen mit einem Festakt, zu dem sich auch die Potsdamer Sozialbeigeordnete Elona Müller-Preinesberger angekündigt hat. Mit Mieträumen im Oberlinhaus und auf Hermannswerder habe man vor 20 Jahren „bescheiden angefangen“, erzählt Geschäftsführer Rüdiger van Leeuwen. Er selbst ist seit 19 Jahren dabei. „Als ich anfing, habe ich mir vom Oberlinhaus einen Wartburg geborgt und bin hier nach Hermannswerder gefahren“, berichtet van Leeuwen von dem aus heutiger Sicht wirklich bescheidenen Beginn. „Trotzdem hatten wir von Anfang an das Gefühl, wir sind wer und wir können was“, sagt van Leeuwen, der zu DDR-Zeiten Planungsleiter für Finanzen im Berliner Tiefbaukombinat war.
Aus den Mieträumen bei der Hoffbauer-Stiftung und dem Oberlinhaus konnten die Werkstätten nach und nach in eigene Häuser umziehen. In den ersten zehn Jahren wurde viel gebaut. „Wir haben alles neu“, sagt van Leeuwen über seine Einrichtung, die eine hundertprozentige Tochter des Oberlinhauses ist.
Längst nicht nur die Stuhlflechter sind heute auf Hermannswerder zu Hause. So gibt es hier unter anderem eine Keramikwerkstatt, eine Anlage für die Pulverbeschichtung von Gegenständen und auch eine Briefwerkstatt, in der Postsendungen kuvertiert werden. Seit Ende letzten Jahres hat auch eine ganz besondere Mikrowelle ihre Arbeit aufgenommen: Holzmöbel werden mit Mikrowellen bestrahlt, um auf diese umweltschonende Weise Holzschädlingen den Garaus zu machen. Doch das vielleicht bekannteste Produkt der Werkstätten dürfte die Oberlinkrippe sein, die heute allerdings hier nicht mehr hergestellt wird, was van Leeuwen bedauert. Anfang der 1990er Jahre sei man mit der Krippenproduktion gar nicht hinterhergekommen. „Wir haben nie den Bedarf gedeckt“, sagt van Leeuwen. Bis zu drei Jahren Wartezeit habe es seinerzeit gegeben. Ein Exemplar der in Ton gebrannten Heiligen Familie nebst Getier hat sich der Geschäftsführer in einem Schrank seines Besprechungszimmers bewahrt. Heutzutage produziere eine selbständige Unternehmerin die Figuren in den Räumen des Oberlinhauses.
Gewandelt haben sich in den 20 Jahren auch die Wohnverhältnisse der hier beschäftigten Menschen. Hätten zu Beginn der 1990er Jahre die meisten von ihnen in Wohnheimen gelebt und nur wenige bei ihren Eltern, so sei es heute umgekehrt, berichtet van Leeuwen. Manche leben heute sogar in eigenen Wohnungen, wie zum Beispiel Stuhlflechter Frank, der jeden Morgen mit dem Fahrdienst zur Arbeit nach Hermannswerder gefahren wird.
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