Von Henri Kramer: Archiv-Schließung am 1. Januar 2009
Stadtverwaltung gründet Arbeitsgruppe gegen Kultur-Krise / Finanzsorgen am Theaterschiff
Stand:
Die schlechten Nachrichten für Potsdams Kulturszene hören nicht auf. Trotz aller Rettungsversuche ist das alternative Jugendzentrum Archiv nach PNN-Recherchen kaum zu halten und muss zum 1. Januar 2009 offenbar schließen. Gleichzeitig wurde gestern bekannt, dass der Trägerverein des Theaterschiffs große wirtschaftliche Probleme verkraften muss.
Damit steigt die Zahl der Problemfälle im Potsdamer Kulturleben weiter. Deswegen hat die Verwaltung nun eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, in der unter anderem Angestellte aus dem Kultur- und Jugendbereich eine Ausweg aus der Krise finden soll. Gestern tagte er zum ersten Mal. Das sagte Potsdams Kulturbeigeordnete Gabriele Fischer auf PNN-Anfrage: „Die Situation ist akut.“ Im Zusammenhang mit der Krise könne sie allerdings bei der Verwaltung „keine Fehler erkennen“, so Fischer. Die Zukunft des Archiv-Jugendhauses sei das derzeitige Hauptthema der neuen „Task- Force“.
Im Kommunalen Immobilienservice (KIS) und in der Bauaufsicht gilt das marode Gebäude in der Leipziger Straße aber bereits als Auslaufmodell. Gestern wurde gegenüber den PNN mehrfach betont, dass selbst die vom Archiv-Betreiberverein kurzfristig eingeleiteten Maßnahmen nur eine „aufschiebende Wirkung“ bis 1. Januar 2009 hätten. „Eine Nutzung nach dem 31. Dezember kann nicht in Aussicht gestellt werden“, heißt es in der Bauaufsicht. Für den Betrieb als Versammlungsstätte gäbe es noch nicht einmal eine Baugenehmigung. Denn trotz der einstweilig erteilten Ausnahmegenehmigungen für das Haus hätten die Verantwortlichen weiter „erhebliche Brandschutzbedenken“, die in einem Schreiben an Oberbürgermeister Jann Jakobs formuliert sind. Der Brief sei als Kompromisspapier zu werten, hieß es: „Nur mit Mühe“ sei es im Werksausschuss des KIS am vergangenen Freitag gelungen, einen Beschluss zu verhindern, der das Mietverhältnis mit dem Archiv e.V. sofort beendet hätte. „Wenn dort Feuer ausbricht, ist nicht unwahrscheinlich, dass Mann und Maus drinbleiben“, so ein Mitglied des Ausschusses.
Nicht nur die fehlenden Rettungswege sind demnach ein Problem. So gäbe es in den Übergängen zwischen Etagen und Räumen keine branddämmenden Stoffe, die das Ausbreiten von Feuer verlangsamen könnten. Im Gegenteil würde im Unglücksfall Bauten wie die Bühne im Mittelsaal einen Brand noch nähren, weil dort brennbare Materialien wie Styropor und Holz verwendet würden. Vor elf Jahren hatte die Stadt mit dem Archiv e.V. einen jährlich kündbaren Mietvertrag ausgehandelt, der Mietfreiheit für den Verein gegen Haus-Instandsetzung vom Verein enthielt. „Es gibt die fast einhellige Auffassung im KIS-Werksausschuss, dass der Verein seine Pflichten nicht erfüllt und die Stadt zu lange zugeschaut hat“, sagte ein Sitzungsteilnehmer. Der basisdemokratische Archiv e.V. konnte gestern noch keine offizielle Erklärung zum weiteren Vorgehen geben. Bis zum Donnerstag sollen aber die ersten Auflagen der Bauaufsicht erfüllt sein, kündigte Vereinsvize Raico Rummel an. Hilfe gibt es unter anderem von einem Potsdamer Bauunternehmer, der aber nicht genannt werden will.
Unterstützung wünscht sich auch die Stadt-Spiel-Truppe Potsdam e.V, der Betreiberverein des Theaterschiffs an der Alten Fahrt. „Es gibt ein frisches Finanzloch“, bestätigte Geschäftsführerin Constanze Jungnickel einen Zeitungsbericht. Angaben zur Höhe der fehlenden Summe wollte sie nicht machen. Am Donnerstag soll nun ein Hilfegespräch zwischen Verwaltung und Verein stattfinden, bestätigten gestern beide Seiten. Die Situation scheint auch hier prekär. „Uns fehlt das Geld, die Plane für das Oberdeck zu reparieren“, so Jungnickel. Deswegen könne der Gastro-Betrieb im Winter nur im Schiffsinneren stattfinden. Eine Spendenkampagne soll den Verein nun retten helfen, kündigte Jungnickel an. Ebenso würde es dem Verein helfen, wenn mehr Besucher zu den Vorstellungen kämen – seit dem Umbau des Alten Markts sei der Zugang zum Schiff erschwert, weswegen weniger Zuschauer kommen würden. Die Fachbereichsleiterin Kultur Birgit-Katherine Seemann kündigte gestern an, der Stadt-Spiel-Truppe etwa bei der Spendenakquise zu helfen.
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