DAS ARCHIV: Archiv teilweise gesperrt
Stufenplan soll Erdgeschoss retten / Probenräume fallen weg / Runde Tische zur Soziokultur begannen
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Bis zu 20 Potsdamer Bands müssen sich erheblich einschränken: Die Bauaufsicht der Stadt Potsdam hat sämtliche Probenräume im Keller des alternativen Jugendzentrums Archiv in der Leipziger Straße gesperrt. Zudem sind das Café im Erdgeschoss und der Durchgang zu den Toiletten für die Öffentlichkeit geschlossen. Das teilte die Vereinschefin des Archiv e.V., Yvonne Bräuer, am Donnerstagabend während des ersten Runden Tisches zur Zukunft der Potsdamer Soziokultur mit – und machte dort aus ihrer Sicht die Bedeutung des Hauses deutlich: „Wir sind eines der Auffangbecken für die Potsdamer Jugend, die sich bei uns selber ausprobieren können.“
Eine erst für gestern angekündigte detaillierte Erklärung des Vereins über die Zukunft des Hauses soll nun am Montag abgegeben werden. „Im Haus-Plenum gibt es an ein paar Punkten noch Uneinigkeit“, sagte Bräuer gestern. Das Hausprojekt ist basisdemokratisch organisiert.
Die Krise des Archiv-Zentrums hatte kurz nach der Kommunalwahl als Folge einer Brandschau begonnen. Nach PNN-Informationen soll im Vorfeld der Kommunale Immobilienservice (KIS) den Druck auf den Verein erhöht haben, einen seit Jahren angeforderten Unbedenklichkeitsschein der Feuerwehr vorzuweisen. Bei der Kontrolle hatte die Behörde in dem Gebäude mehrere äußerst schwere Brandschutzmängel festgestellt. Am Mittwoch hatte sich der Hauptausschuss mit breiter Mehrheit zum Erhalt des Jugendkulturstandorts Archiv bekannt.
Gestern präzisierte sich nach PNN-Informationen der vorläufige Rettungsplan, an dem Archiv e.V. und Verwaltung gemeinsam arbeiten. Danach soll zumindest das Erdgeschoss des Hauses vorerst weiter genutzt werden können. Dort finden die meisten Veranstaltungen des Hauses statt. So soll in einer ersten Stufe der Bühnenraum links des Eingangs einen zweiten Noteingang erhalten. Konzerte sind auf maximal 150 Gäste zu begrenzen. Ebenso soll das Café wieder öffnen können: Gefordert wird jedoch eine Feuerschutztür im Mittelgang. Der Keller soll dagegen nur noch auf die Gefahr hin zu nutzen sein, dass bei einem Unglück der Verein haften würde. „Die Probenräume sind wohl verloren“, hieß es von einem Verhandlungsteilnehmer. Als vorläufigen Ersatz schlug die Verwaltung gestern via Mitteilung das sogenannte Gewölbe im Erdgeschoss des Hauses vor, in dem bisher kleinere Feiern stattfinden konnten. Jedoch ist auch dieser Raum für öffentliche Veranstaltungen nun tabu. „Wir haben zumindest erst einmal Teile des Betriebs sichern können“, sagte Wolfgang Hadlich, der als Büroleiter von Oberbürgermeister Jann Jakobs die Verhandlungen führt.
Zum Archiv tagte gestern auch der Werksausschuss des KIS. Teilnehmer berichteten den PNN von einer „kontroversen Diskussion darüber, ob der Archiv e.V. die geforderten Brandschutzmaßnahmen überhaupt allein schaffen kann.“ Mit Sicht auf die Sperrung von Teilen des Hauses wurde auf die Haftung von Mitarbeitern des KIS verwiesen, falls sich eine Katastrophe ereigne. „Der Bauzustand ist ein riesengroßes Problem“, hieß es.
Für Ende November wird nun ein detailliertes Brandschutzgutachten sowie eine Prioritätenliste möglicher Sofortmaßnahmen erwartet. März 2009 soll ein Sanierungsplan vorliegen. „Die Stadt kümmert sich wirklich“, hieß es selbst von Archiv-Unterstützern, die in den Verhandlungsrunden anwesend sind – so werde sogar bei der Beschaffung von Baumaterial geholfen. Bei wichtigen Kommunalpolitikern der Bürgermeister-Koalition gilt es inzwischen sogar nicht mehr als unwahrscheinlich, dass mit einem „Millionenbeschluss“ das marode Haus selbst langfristig bestehen bleiben könnte. „Der Druck ist sehr, sehr groß“, hieß es. Seit Frühjahr hat die Diskussion um die Zukunft der Potsdamer Jugendkultur mit der Schließung des Spartacus-Jugendhauses begonnen. Seitdem waren die Insolvenzen von Spartacus und Lindenpark bekannt geworden, auch andere alternative und soziokulturelle Räume und Ort gerieten in Gefahr. Für den 8. November ist eine große Protestdemo für mehr Jugendkultur geplant.
Unterdessen haben die Runden Tische zur Rettung der Potsdamer Soziokultur begonnen und vier Arbeitsgruppen bestimmt. Nach der zweieinhalbstündiger Diskussion mit Kultur-Initiativen, Politikern, Verwaltung und der Kulturbeigeordneten Gabriele Fischer verließen die meisten Teilnehmer die Veranstaltung enttäuscht – „viel zu unkonkret“ sei sie gewesen. Eine Arbeitskreis „Problemliste“ soll nun alle Probleme sammeln und ordnen.
Das Archiv-Jugendzentrum ist eines der ältesten legalisierten Hausbesetzer-Projekte in Brandenburg. Das Haus in der Leipziger Straße war früher ein ehemaliges Filmarchiv. 1994 wurde es von Jugendlichen besetzt. Nach Räumung wurde es 1997 per Beschluss der Stadtverordneten wieder an die jungen Besetzer zurück gegeben. Seitdem gibt es einen Vertrag mit der Landeshauptstadt. In dem Jahr wurde auch der Trägerverein Archiv e.V. gegründet, der das Haus mietfrei nutzt. Dafür bietet er regelmäßig günstige Konzerte und Partys, ebenso gibt es Atelierräume. Zudem wohnen bis zu 15 Potsdamer in dem Gebäude.
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