Von Henri Kramer: Ärger um Schinkelspeicher
Mieter der Luxuswohnungen der Speicherstadt sind wegen Schadstoffen und Ungeziefer verunsichert / Gesundheitsamt eingeschaltet
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Templiner Vorstadt - Im Luxuswohngebiet Speicherstadt an der Havel herrscht großer Ärger. Eigentümer und Mieter der kostspieligen Wohnungen im Schinkelspeicher sind verunsichert. Nach PNN-Recherchen geht es unter anderem um Furcht vor dem giftigen Holzschutzmittel Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT) und um Sorgen wegen Ungeziefers, das laut Anwohnern das Gebäude befallen hat. Die verantwortlichen Firmen für die Sanierung, die Speicherstadt Potsdam GmbH und die Prinz von Preußen Grundbesitz AG, geraten unter Druck.
Inzwischen ist das brandenburgische Gesundheitsministerium eingeschaltet. „Das Gesundheitsamt Potsdam hat zunächst für die Speicherstadt eine private Anfrage zur DDT-Belastung mit der Bitte um gesundheitliche Bewertung und rechtliche Würdigung erhalten“, sagte gestern Alrun Nüßlein, Sprecherin des Ministeriums, den PNN auf Anfrage. Zur Beantwortung der Anfrage seien ihr Ministerium und das Landesgesundheitsamt hinzugezogen worden. Eine Bewertung durch das Land stehe aber noch aus, sagte Nüßlein.
Das Insektenvernichtungsmittel DDT wurde zu DDR-Zeiten oft auch als Holzschutzmittel verwendet. Das Mittel kann, aufgenommen über Staub in der Luft, die Leber schädigen. Die Herstellung von DDT ist in der Bundesrepublik seit den 1970er Jahren verboten. Die Sorgen vor DDT im Schinkelspeicher haben nach PNN-Informationen von Anwohnern privat beauftragte Gutachten zur Luftbelastung genährt, wonach in einzelnen Zimmern mehr als 15 Milligramm DDT pro Kilogramm Hausstaub und mehr als 0,2 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft festgestellt worden seien. Auch der privaten Anfrage an das Gesundheitsamt habe ein Gutachten beigelegen, bestätigte Potsdams Stadtsprecherin Regina Thielemann.
Ob die gemessenen Werte für DDT gesundheitsgefährdend sind, war gestern nicht genau zu erfahren. „In Deutschland gibt es keine gesetzlich festgelegten Grenzwerte zur Bewertung von Raumluftuntersuchungen auf Holzschutzmittelbelastung“, sagte Ana Maria Scuratu vom Umweltbundesamt. Die Bundesländer seien für Richtwerte verantwortlich. In Brandenburg gibt es diese aber nicht, hieß es aus dem Landesumweltamt. Allerdings gäbe es in Mecklenburg-Vorpommern einen DDT-Richtwert zur Vorbeugung von Gesundheitsgefährdungen. Dieser liegt bei maximal 0,3 Mikrogramm DDT pro Kubikmeter Luft – ein Wert über der im Speicher gemessenen Belastung.
Doch Anwohner sorgen sich, weil sie so nun dauerhaft leben sollen und wegen der vermuteten Quelle des DDT: Die Konstruktionshölzer des denkmalgeschützten Schinkelspeichers. Bei der Sanierung sollen diese mit einer Schutzschicht überzogen worden sein, die den Schadstoff im Holz binden sollte. Ob diese Schicht inzwischen rissig ist und DDT so austreten und sich am Staub anreichern kann, ist unklar. Anfragen an die Speicherstadt Potsdam GmbH und die Prinz von Preußen Grundbesitz AG blieben gestern unbeantwortet – auch zu weiteren Vorwürfen.
So sollen einige Wohnungen im Schinkelspeicher mit dem „gemeinen Pelzkäfer“ befallen sein, wie es Anwohner schildern. Dieser Schädling zerstört laut Detlef Berndt vom Landesumweltamt zum Beispiel Textilien aus tierischen Fasern wie Wolle, Leder oder Pelz. „Daneben werden Lebensmittel tierischer und pflanzlicher Herkunft gefressen“, sagte Berndt. Auch dazu gab es von den beiden zuständigen Firmen gestern keine Auskunft.
Die Speicherstadt zählt zu Potsdams teuersten Wohngegenden. Laut Grundstücksmarktbericht wurden dort vergangenes Jahr noch bis zu 3700 Euro für den Quadratmeter Wohnfläche erzielt. Dass es nun Unmut bei Mietern und Eigentümern der hochpreisigen Wohnungen gibt, ist bei den zwei Bauträgern offenbar bekannt. Für den kommenden Montag hat nun die Speicherstadt GmbH die Bewohner des Schinkel- und des nahen Boelckespeichers für 18 Uhr zu einer „ersten Informationsveranstaltung“ eingeladen, bei der es auch um „aktuelle Mieterprobleme“ gehen soll, wie es in einem Schreiben der Gesellschaft an Anwohner heißt. Das DDT und die Pelzkäfer werden darin zwar nicht erwähnt, jedoch soll es um die Parksituation gehen. So fordern Anwohner, endlich den Termin zur Fertigstellung einer zugesagten Tiefgarage zu benennen. Es gibt wohl noch mehr zu bereden.
Das Video wurde uns freundlicherweise von PotsdamTV zur Verfügung gestellt.
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