Landeshauptstadt: Arm durch Scheidung
DDR-Frauen gegenüber ihren Ex-Männern benachteiligt / Potsdamerin fährt zur Demo nach Leipzig
Stand:
Ihre Ehe wurde 1983 geschieden. Renate Schneider* war 27 Jahre lang verheiratet. Drei Söhne hat sie großgezogen. Heute ist sie Rentnerin und lebt in sozial prekären Verhältnissen. Wäre die Potsdamerin in der Bundesrepublik West geschieden worden, wäre der Ex-Ehemann ihr gegenüber unterhaltspflichtig. Renate Schneider hat jedoch in der DDR gelebt. Einen Versorgungsausgleich für die geschiedenen Frauen, die aufgrund der Kinderbetreuung eine geringere Zahl an Beschäftigungsjahren aufzuweisen haben und daher heute weniger Rente bekommen, gab es in der DDR nicht. Auch die Wiedervereinigung veränderte die Situation der geschiedenen DDR-Frauen nicht.
Am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit, am Donnerstag dieser Woche, wird Renate Schneider ab 13.30 Uhr auf dem Augustusplatz in Leipzig gegen „die Ungerechtigkeit“ und den „fehlenden Versorgungsausgleich“ protestieren. „Ich gehe gegen den Staat vor, weil der die Ostmänner nicht wie die Westmänner behandelt“, sagt die 71-Jährige. 600 000 Frauen aus der DDR ginge es genauso wie ihr. Petitionen an Politiker blieben erfolglos. „Ostfrauen bearbeitet der Münte“, sagte ihr eine Mitarbeiterin des Frauenministeriums Ursula von der Leyens (CDU).
Mit Rente und Grundsicherung erhält die ehemalige Friseurin und Industriearbeiterin „knapp 800 Euro“ im Monat. Nach Abzug der Festkosten bleiben ihr nach eigener Aussage „8,01 Euro pro Tag“ zum Leben – für Essen, Haushaltsmittel, Kleidung, Friseur
Nach der Vertreibung aus Schlesien hat Renate Schneider 1956 geheiratet, mit 19 Jahren. Sie bekam drei Söhne. Die Ehe war 15 Jahre intakt, dann habe sich der Alkoholkonsum ihres Mannes gesteigert, er ging fremd, ihr gegenüber „neigte er zu Handgreiflichkeiten“. Renate Schneider: „Während sich der Mann ein schönes Leben machte, habe ich oft nur zwei, drei Stunden geschlafen wegen der Pflichten.“ In der Schwangerschaft ist sie zu Hause, später geht sie halbtags arbeiten. „Bei vier Stunden am Tag fehlt mir der halbe Arbeitstag“, der nun bei der Rentenberechnung negativ zu Buche schlägt. Renate Schneider: „Die Männer kriegen die vollen Renten, als ob sie nie Familie gehabt hätten.“ Ihr Mann kümmerte sich kaum um Haushalt und Kinder. 1971 bricht die Frau an der Maschine, an der sie arbeitet, erschöpft zusammen. Gesundheitlich ist sie bis heute angeschlagen.
Vier Millionen DDR-Renten sind am 3. Oktober 1990 übertragen worden, sagt der Berliner Anwalt Dr. Karl-Heinz Christoph. Bei 2,2 Millionen – „vor allem bei Frauen“ – habe dies „einen außerordentlichen Rückschritt bedeutet, eine Enteignung“. Zusatzrenten, aber auch die Anrechnung geborener Kinder auf die Rente, seien weggefallen. Die Frauen, so Dr. Christoph, könnten ihre soziale Situation wesentlich verbessern, wenn es gelänge, ihre DDR-Ansprüche gegen die Bundesrepublik durchzusetzen. Auch eine Härtefallregelung wäre denkbar. „Dagegen sträubt sich der Gesetzgeber gewaltig“, so der Anwalt. Guido Berg
Weiteres im Internet unter:
www.ostrentner.de
* Name von der Redaktion geändert
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: